Nordrhein

Kammer fürchtet Verdrängung durch Konzerne

Konzerne gewinnen in der ambulanten Versorgung an Einfluss, warnt Nordrheins Kammerchef Henke. In manchen Regionen verdrängen sie niedergelassene Vertragsärzte aus Bereichen wie Radiologie und Nephrologie. Wenn niedergelassene Ärzte nicht mehr konkurrenzfähig sind, wird die freie Arztwahl der Patienten eingeschränkt.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

DÜSSELDORF. Die Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) warnt vor dem zunehmenden Einfluss von Konzernen in der ambulanten Versorgung. Bisher weitgehend unbeachtet haben sich nicht nur im Labor, sondern auch in der Dialyse, der Radiologie und der Augenheilkunde konzernartige Strukturen herausgebildet, erläuterte ÄKNo-Präsident Rudolf Henke auf der jüngsten Kammerversammlung in Düsseldorf.

"Diese sind mit ihrer Finanzkraft in einigen Regionen bei der Übernahme von Vertragsarztsitzen dermaßen dominant, dass einzelne Interessenten kaum mehr die Chance haben, sich vertragsärztliche niederzulassen", sagte er.

Für Henke stellt sich die Frage, inwieweit die Wahlfreiheit der Patienten beeinträchtigt ist, wenn es in einer Region nur noch einen Anbieter gibt. "Ich glaube, dass wir diese Entwicklung kritisch hinterfragen müssen, ist doch die persönlich geprägte ambulante Versorgung nach wie vor unser Leitbild."

Nicht mehr konkurrenzfähig

Angesichts der Kostenstruktur der Konzerne sind die niedergelassenen Ärzte nicht mehr konkurrenzfähig. Das betonte auch die Düsseldorfer Hausärztin Dr. Sabine Marten auf der Kammerversammlung.

In ihrer Stadt habe die deutsche Tochter des US-amerikanischen DaVita-Konzerns fast alle Sitze aufgekauft, berichtete sie. "Für die Patienten ist wohnortnah nur noch ein Anbieter verfügbar, eine Zweitmeinung können sie nicht mehr einholen."

Auch andere Hausärzte in Nordrhein beklagen die Dominanz des Unternehmens im Bereich der Nephrologie. Sie führe dazu, dass Patienten nicht mehr ausreichend ärztlich versorgt werden, warnten die Ärzte.

Ähnliche Konzentrationsprozesse gebe es im Bereich der Radiologie, sagte die hausärztliche Internistin Barbara vom Stein aus Burscheid. Konzerne kauften Praxissitze auf und verlagerten sie an andere Standorte. "Das ist für Hausärzte schwer. Man weiß nicht mehr, wohin man Patienten überweisen kann", berichtet sie aus eigener Erfahrung.

Auch die Ärztin für Psychotherapie Dr. Christiane Groß aus Wuppertal sieht die Entwicklung mit Sorge. Gerade Ärztinnen könnte der Weg in die Anstellung bei einem Großunternehmen als verlockende Alternative zur Niederlassung erscheinen, fürchtet die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes – weil die Arbeitsbedingungen als angenehmer empfunden werden könnten. "Vielleicht sollten wir als Ärzte verstärkt deutlich machen, dass es möglich ist, in der Praxis Familie und Beruf zu vereinbaren."

Freiberuflichen Charakter stärken

Ohne Gegenstimme und mit nur einer Enthaltung verabschiedeten die Delegierten einen Beschluss, der vor der Konzernbildung und den negativen Folgen für die Patientenversorgung warnt. "Die Kammerversammlung fordert den Gesetzgeber und die zuständigen Institutionen der Selbstverwaltung auf, dieser Entwicklung Einhalt zu geben und im Interesse der Patientinnen und Patienten den freiberuflichen Charakter der ambulanten Versorgung, auch in eigener Praxis, zu erhalten", heißt es in dem Beschluss.

Dazu beitragen sollen eine mengenmäßige Begrenzung der Aktivitäten von Konzernen in der ambulanten Versorgung, eine Überprüfung der Zulassungsregelung und eine konsequente Förderung ärztlicher Kooperationsmodelle.

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