Niedersachsen

Kammer unter Beschuss – Regierung kontert

In Niedersachsen löst der Streit um die Beitragsordnung der neuen Pflegekammer Generalkritik der Opposition im Landtag aus.

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HANNOVER. Die FDP- und die AfD-Fraktion im Hannoveraner Landtag haben sich in den Streit um die Pflegekammer-Beiträge in Niedersachsen eingeschaltet. Die Liberalen wollen die Zwangsmitgliedschaft in der neuen Kammer zugunsten einer freiwilligen Mitgliedschaft abschaffen und haben einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den Landtag eingebracht.

„Wir haben immer kritisiert, dass die Pflegekammer durch die Zwangsmitgliedschaft und die daraus folgenden Zwangsbeiträge eher zu einer Belastung als zu einer Hilfe für die Pflegekräfte wird“, sagte Sylvia Bruns, sozialpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Ende Dezember hatte die Kammer die Beitragsbescheide für das zweite Halbjahr 2018 verschickt und legte dabei den Höchstbetrag zugrunde.

Um ihn zu vermeiden, sollten die Mitglieder ihre Einkommensverhältnisse offenlegen. Das Vorgehen löste erheblichen Protest von Kammermitgliedern aus. Eine entsprechende Petition haben nach Angaben der FDP bereits mehr als 30.000 Menschen unterzeichnet.

Die FDP will nicht nur die Zwangsmitgliedschaft beenden, sondern zweifelt an der Kammer als solcher. „Alle wichtigen Punkte, die zu einer Verbesserung der Situation in der Pflege angegangen werden müssten, können nur durch Bundesgesetz oder Rahmenverträge geregelt werden. Insoweit hat die Kammer aber keine Kompetenzen“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner.

Auch die AfD-Fraktion hat sich für eine freiwillige Mitgliedschaft ausgesprochen, wirft der FDP aber vor, ein „Lobbyverein der privaten Pflegeindustrie“ zu sein, so Stephan Bothe, sozialpolitischer Sprecher seiner Fraktion. „Die Pflegekammer sollte eine Körperschaft öffentlichen Rechts werden, nach bayerischem Vorbild“, so die Fraktion.

In der Landtagsdebatte in der vergangenen Woche reagierte die niedersächsische Gesundheitsministerin, Dr. Carola Reimann (SPD) mit Verständnis und Kritik auf die Initiativen. „Ich kann den Unmut vieler Pflegekräfte gut nachvollziehen“, so Reimann. Die Kammerversammlung habe eine geänderte Beitragsordnung beschlossen: Es würden wie bisher einkommensabhängige Beiträge von 0,4 Prozent der Jahreseinkünfte erhoben. Die Berechnung erfolge aber auf Basis einer Selbstauskunft. Mitglieder mit Einkünften unterhalb des Grundfreibetrags von 764 Euro im Monat zahlten gar keine Beiträge mehr.

„Die geforderte Abschaffung von Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht macht aus einer starken Stimme der Pflege einen zahnlosen Tiger“, kritisierte die Ministerin die Vorstöße von FDP und AfD. Erst mit der Pflichtmitgliedschaft erhalte die Kammer ihre demokratische Legitimation.

Die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge stelle überdies die Unabhängigkeit der Kammer sicher, sagte Reimann. In Bayern, wo die Kammer aus Landesmitteln finanziert wird, sei ihre Arbeit auch vom Wohlwollen des Landes abhängig. „Wir haben im Koalitionsvertrag vorgesehen, nach der Hälfte der Legislaturperiode, also im Jahr 2020, die Entwicklung der Pflegekammer anzusehen“, sagte Reimann. „Dann entscheiden wir, ob beziehungsweise wo nachgesteuert werden muss.“

Der Landtag hat die Initiativen von FDP und AfD nach der ersten Beratung in die Fachausschüsse überwiesen. (cben)

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