Kassen-Chef hinterlässt dickes Polster

Ohne "Stallgeruch" kam Professor Norbert Klusen vor 19 Jahren zur TK. Jetzt, zum Ruhestand, hinterlässt er eine finanziell stark aufgestellte Kasse mit Premium-Charakter.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Klusen: "Ich habe erwartet, dass Kassen sich zu Unternehmen entwickeln. Sonst wäre ich nicht gekommen."

Klusen: "Ich habe erwartet, dass Kassen sich zu Unternehmen entwickeln. Sonst wäre ich nicht gekommen."

© axentis.de / Georg J. Lopata

HAMBURG. Professor Norbert Klusen geht nach 16 Jahren an der Spitze der Techniker Krankenkasse (TK) in den Ruhestand. Unter seiner Regie entwickelte sich die TK zu einer der führenden und finanziell am besten gepolsterten Kassen.

Das hatten zu seinem Amtsantritt nicht alle erwartet. Denn Klusen war Außenseiter: Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften und Soziologie in Aachen und in Berlin sammelte Klusen Management-Erfahrung in internationalen Unternehmen.

Seine letzte Station vor der Krankenkasse war Gabelstaplerhersteller Jungheinrich, wo Klusen Arbeitsdirektor war. 1993 wurde er Geschäftsführer der TK und 1996 Vorstandsvorsitzender.

"Ich habe erwartet, dass Krankenkassen sich zu Unternehmen entwickeln würden. Sonst wäre ich gar nicht gekommen", sagt Klusen.

In der GKV gilt die die TK heute als Premium-Kasse

An der TK-Spitze bewahrte er seinen Blick von außen.Was noch heute von Referenten auf Kongressen empfohlen wird, praktizierte Klusen von Beginn an: er zog Parallelen aus anderen Branchen und versuchte, zu übertragen - in der Unternehmensführung, bei Strategien und der Umsetzung.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Klusen übergibt seinem Nachfolger Jens Baas und den Vorständen Frank Storsberg und Thomas Ballast die zweitgrößte deutsche Krankenkasse, die im abgelaufenen Geschäftsjahr fast eine Milliarde Euro Überschuss auswies.

Nicht nur das: Die TK gilt als Premium-Kasse in der GKV. Bei ihr sind viele Menschen versichert, die aufgrund hohen Einkommens in die PKV wechseln könnten. Und die war für Klusen der Benchmark.

Das brachte Konflikte mit sich, 2002 beispielsweise mit Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, als Klusen versuchte, in der TK ein Selbstbehalts-Modell nach PKV-Vorbild einzuführen.

Über das Bundesversicherungsamt als Aufsicht über die TK übte das BMG Druck aus, aber Klusen konnte sich mit einem eingeschränkten Modell durchsetzen.

Zur Markenstrategie der TK gehörte auch gute Partnerschaft zwischen Kassen und Leistungserbringern, vor allem zu den Ärzten. Das Bekenntnis dazu zieht sich wie ein roter Faden durch Klusens öffentliche Auftritte.

Das bedeutete nicht Kritiklosigkeit. Als Vertragsärzte 2009 auf dem Höhepunkt von Honorarauseinandersetzungen Vorkasse verlangten, drohte Klusen mit Zulassungsentzug. Versicherten riet er, "nie wieder" zu solchen Ärzten zu gehen.

Soziale Verpflichtung - was er von Ärzten erwartete, ließ er auch gegen sich selbst gelten: Anders als andere Kassen errichtete die TK keine Hürden bei der Aufnahme von Versicherten der pleite gegangenen City BKK - 60.000 Menschen übernahm die TK, nicht unbedingt die besten Risiken.

Den TK-Erfolg heftet Klusen sich nicht an die Brust, zumindest nicht allein. Zum Erfolg habe geführt, dass die Mitarbeiter bei Vorstandsentscheidungen immer mitgezogen und Leidenschaft für das Unternehmen gezeigt hätten, sagt Klusen.

Der Weg zur erfolgreichen Kasse führte aber auch über Fusionen. Unter Klusens Regie erfolgte im Jahr 2000 die Fusion mit der Gärtner-Krankenkasse, 2009 mit der IKK Direkt.

Im Ruhestand wird er Kollegen beraten

Seine Leistung wurde mit vielen Auszeichnungen gewürdigt: 1999 Honorarprofessor für Gesundheitsökonomie an der Westsächsischen Hochschule Zwickau, 2002 "Mann der Woche" der "Wirtschaftswoche", 2004 Ehrensenator der Uni Bayreuth, 2005 "Manager des Jahres" der Zeitschrift "kma", 2008 Honorarprofessur für Internationale Gesundheitspolitik an der Uni Hannover.

Und Klusen verteidigte sein Credo, wonach Innovationen im Gesundheitswesen nicht aus Gesetzen und Kommissionen entstehen, sondern aus dem System heraus entwickelt werden müssen.

Die seitdem vorgelegten Zahlen sprechen eine andere Sprache. Ein Ziel aber erreichte er bis zum Ende seiner Amtszeit nicht: "Der Politik die Illusion rauben, dass es gut ist, sich einzumischen."

Was angesichts von Klusens Arbeitspensum kaum jemand in der Öffentlichkeit wusste: Er hatte eine chronische Entzündung der Gallengänge und benötigte eine Spenderleber. Fünf Jahre lang stand er auf der Warteliste.

2008 hatte er die Hoffnung fast schon aufgegeben, als er doch noch den erlösenden Anruf und eine neue Leber bekam. Dass er bis zur Transplantation voll durcharbeitete, begründete Klusen in einem Interview kürzlich so: "Heute erstaunt mich das selbst, aber ich hatte keine Wahl. Als Manager darf man sich keine Schwäche erlauben." Vielleicht rät er dies künftig jüngeren Kollegen.

Im Ruhestand wird Klusen aktiv bleiben. Bei Bernotat & Cie. mit Sitz in Essen wird er ab kommenden Monat zusammen mit anderen ehemaligen Top-Managern aktiven Kollegen als Mentor zur Seite stehen.

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