Finanzpolster wächst

Kassen auf der Sonnenseite

Die gesetzliche Krankenversicherung hat ihre Finanzreserven weiter ausgebaut - je nach Krankenkasse fallen die Überschüsse unterschiedlich hoch aus. Der Gesundheitsfonds hingegen muss ein Milliarden-Minus verkraften.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Die Kassenfinanzen entwickeln sich weiterhin positiv.

Die Kassenfinanzen entwickeln sich weiterhin positiv.

© Gina sanders / fotolia.com

BERLIN. Der Gesundheitsfonds hat im ersten Halbjahr 2013 ein Defizit von knapp 1,98 Milliarden Euro verbucht. Die Krankenkassen hingegen weisen in diesem Zeitraum in ihren vorläufigen Finanzergebnissen einen Überschuss von rund 1,09 Milliarden Euro aus.

Das geht aus dem Bericht (KV 45) des Bundesgesundheitsministeriums hervor, der am Donnerstag veröffentlicht worden ist.

Insgesamt gibt es demnach Finanzreserven von rund 27,7 Milliarden Euro im System, davon liegen rund 16,6 Milliarden Euro im Topf der Kassen, der Gesundheitsfonds verfügt über rund 11,1 Milliarden Euro.

Das Defizit im Gesundheitsfonds sei "saisonbedingt", heißt es aus dem Ministerium. Im zweiten Halbjahr werde wieder mehr Geld in den Fonds fließen, da viele Arbeitnehmer zum Beispiel Weihnachtsgeld erhielten, so die Prognose.

Entstanden sei das Defizit dadurch, dass der Bundeszuschuss für 2013 von 14 auf 11,5 Milliarden Euro gesenkt wurde. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte das gesparte Geld für die Verringerung des Haushaltsdefizites verwendet.

Der Bundeszuschuss sei so im ersten Halbjahr 2013 mit 5,69 Milliarden Euro um rund 1,25 Milliarden Euro niedriger gewesen, heißt es in dem Bericht des Gesundheitsministeriums.

AOKen erzielen höchste Überschüsse

Die Lage der Krankenkassen ist laut Bericht weiterhin unterschiedlich. Die AOKen erzielten Überschüsse von insgesamt rund 623 Millionen Euro. Die Ersatzkassen verbuchten hingegen lediglich Überschüsse von insgesamt rund 81 Millionen Euro.

Die Betriebskrankenkassen erzielten ein Plus von 164 Millionen Euro, die Innungskrankenkassen von 150 Millionen Euro und die Knappschaft-Bahn-See von 77 Millionen Euro.

Im ersten Halbjahr 2013 schütteten einige Kassen zudem Prämien in Höhe von 182 Millionen Euro an ihre Versicherten aus.

Trotz der Mindereinnahmen und Mehrausgaben werde die gesetzliche Krankenversicherung auch im laufenden Jahr Überschüsse erzielen, betonte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP).

Somit gehe sie mit einem soliden Fundament in die neue Legislaturperiode. Die Abschaffung der Praxisgebühr ab dem 1. Januar 2013 und die zur Haushaltskonsolidierung erfolgte Absenkung des Bundeszuschusses um 2,5 Mrd. Euro seien solide finanziert, so Bahr.

KBV-Chef Andreas Köhler sagte: Der Wegfall der Praxisgebühr habe die Praxen von einem erheblichen bürokratischen Ballast entlastet. Die Kassen hätten zum Ausgleich rund 900 Millionen Euro an höheren Zuweisungen aus dem Fonds erhalten.

Startvorteil für neue Regierung

Die kommende Regierung erhält durch die Finanzreserven der Kassen einen deutlichen Startvorteil: Sie wird sich nicht direkt mit GKV-Finanzierungsfragen auseinandersetzen müssen.

Erstmals könne sich eine neue Regierung um die Versorgungsqualität vor Ort kümmern, prognostiziert CDU-Politiker Jens Spahn der "Ärzte Zeitung".

Erste Schritte sei die schwarz-gelbe Koalition schon mit der Abschaffung der Praxisgebühr ab 1. Januar 2013 und der notwendigen Verbesserungen der Finanzsituation der Krankenhäuser und beim Apotheken-Notdienst gegangen.

Zum Hintergrund: Anfang der Legislaturperiode drohten in der GKV erhebliche Defizite. Auf diesem Polster ausruhen, darf sich die nächste Koalition aber dennoch nicht: Im ersten Quartal 2013 waren noch ein Rekordstand von 28 Milliarden Euro im Topf der gesetzlichen Krankenversicherung.

Laut Bericht gab es zudem Ausgabenzuwächse je Versicherten von 4,6 Prozent. Die Leistungsausgaben seien ebenfalls um 4,6 Prozent je Versicherten gestiegen. Bei den Verwaltungskosten gab es einen Zuwachs von rund 3,3 Prozent.

Die Ausgaben für Arzneimittel sind hingegen stabil: Sie stiegen im Zeitraum Januar bis Juni um 0,3 Prozent. Vor allem habe es hohe Einsparungen durch vertraglich vereinbarte Rabatte zwischen Kassen und Pharmaindustrie den gegeben, heißt es in dem Bericht.

Im ersten Halbjahr 2012 betrugen die Einsparungen rund 840 Millionen Euro, im selben Zeitraum 2013 waren es fast 1,3 Milliarden Euro.

Ausgaben-Zuwachs für ambulante Behandlung

Beim Krankengeld hat sich der Anstieg nur unwesentlich verlangsamt. Bislang seien die Zuwächse oft im zweistelligen Bereich gewesen, jetzt liegt der Anstieg bei 7,7 Prozent.

Ein Grund dafür: Immer mehr Menschen sind aufgrund einer psychischen Erkrankung länger krank geschrieben.

Bei den Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für die ambulante ärztliche Behandlung gab es einen Zuwachs von zehn Prozent.

Dem Bericht zufolge dürfte neben den jährlichen regionalen Honoraranpassungen etwa im gleichen Ausmaß die Abschaffung der Praxisgebühr darin abgebildet sein. Diese Einnahmen seien bislang in die Gesamtvergütung eingerechnet worden.

Aus Sicht des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie haben Versicherte und die pharmazeutische Industrie ihren Teil zu den Überschüssen im Fonds beigetragen.

"Erhöhte Zwangsabschläge und das Preismoratorium zulasten der pharmazeutischen Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Einsparungen in Milliardenhöhe gebracht", hieß es in einer Mitteilung des Verbandes.

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GKV-Milliardendefizit: Der Kampf ums Geld ist eröffnet

Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 07.09.201317:00 Uhr

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) mit gespaltener Zunge?

Noch im vorigen Jahr hieß es aus dem Hause Bahr, dass der FDP- Bundesgesundheitsminister mit allen Mitteln f ü r den E r h a l t des vollen Bundeszuschusses an die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) kämpfen wolle:
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/krankenkassen/article/805342/bahr-kaempft-milliarden.html
Damit refinanziert die GKV Risiken, die ihre Versicherten gar nicht selbst zu verantworten haben. Der Bundeszuschuss an den GKV-Gesundheitsfonds dient der "Mitfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben": Beitragsfreiheit bis zum 18. Geburtstag, Ehepartner-Mitversicherung bzw. Ausgleich bei geringfügigen GKV-Beiträgen, prekären Arbeitsverhältnissen, Minijobs, geringe Renten, ALG-I und ALG-II. Befreiungen von Verordnungsgebühren, Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen bzw. sonstige familienpolitische Hilfen.

CDU-Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble schraubt dagegen den Bundeszuschuss m. E. verfassungswidrig und ohne nennenswerten Widerstand der Opposition von 14 Milliarden im letzten Jahr auf 11,5 Milliarden Euro in 2013 zurück. Für 2014 plant er eine weitere Kürzung um 4,5 Milliarden Euro. Diese Kürzungen um insgesamt 7 Milliarden Euro in nur 2 GKV-Beitragsjahren sollen seinen maroden Bundeshaushalt sanieren.

Nachdem der gescheiterte Gesundheitsminister a. D. und jetzige FDP-Bundeswirtschaftsminister Dr. med. Philipp Rösler das "Ausbluten" des Gesundheitsfonds durch die Schäuble''schen Finanz-Manipulationen aktiv unterstützt und damit seinen Parteikollegen Daniel Bahr ausgebootet hat, ist dieser nun auch ganz auf Koalitions-Linie eingeschwenkt: "Die zur Haushaltskonsolidierung erfolgte Absenkung des Bundeszuschusses um 2,5 Mrd. Euro ist solide finanziert" sagt Daniel Bahr. Er verschweigt dabei allerdings auch, dass die GKV zusätzlich die Finanzierung sämtlicher Krankheitsfolgen von Alkohol, Tabak, Verkehrs- und sonstigen Unfallverletzungen übernehmen muss: Auch bei Attentatsopfer oder durch Straftaten Verletzte, wenn sie nicht durch Beihilfe, Private Krankenversicherung, Opferentschädigungsgesetz oder gesetzliche Unfallversicherung versorgt werden.

Um weiteren Fehlinterpretationen vorzubeugen: Die GKV-Ausgabensteigerung für Ärztehonorare von plus 10 Prozent in 2013 gegenüber dem Vorjahr ist exakt d a s Geld, was die Vertragsärzte vorher über die zum Ende 2012 weggefallene P r a x i s g e b ü h r für die GKV-Kassen z u s ä t z l i c h von ihren Patientinnen und Patienten eintreiben mussten. Also k e i n echtes, sondern allenfalls ein virtuelles Honorarplus. Wetten, dass dieser Vorwurf demnächst in der Öffentlichkeit und in den Medien auftauchen wird?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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