Kassen haben eigene Pläne für ihre Milliarden

Es wird weiter gerangelt um den Überschuss in der GKV: Immer wieder kommen Vorschläge, wie die Kassenmilliarden verwendet werden sollen. Klar ist: Landespolitiker und KVen wollen die Kuh schlachten. Die Kassen hegen ganz andere Pläne, wie eine Umfrage der "Ärzte Zeitung" zeigt.

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Kassen sehen sich mit hartnäckigen Forderungen der Politik konfrontiert.

Kassen sehen sich mit hartnäckigen Forderungen der Politik konfrontiert.

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BERLIN (red). In der Koalition haben die Spekulationen über milliardenschwere Überschüsse der Krankenkassen die Fantasie von Haushaltspolitikern befeuert.

So sprach sich der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle dafür aus, den Steuerzuschuss an die GKV von in diesem Jahr 14 Milliarden zu senken.

Es sei nicht sinnvoll, "wenn der Fonds über deutlich mehr Reserven als gesetzlich erforderlich verfügt und diese über eine höhere Neuverschuldung des Bundes finanziert werden", sagte Barthle der "Süddeutschen Zeitung".

BMG-Sprecher Christian Albrecht relativierte die Zahlen mit Blick auf den Gesundheitsfonds: Dieser verfüge über knapp acht Milliarden Euro Reserven.

Über fünf Milliarden davon seien gesetzlich gebunden. Somit stünden "etwa zwei Prozent einer Jahreseinnahme an Überschüssen im Fonds" zur Verfügung, sagte Albrecht am Montag in Berlin.

Geld soll in Versorgungsqualität investieren

Eine Umfrage der "Ärzte Zeitung" bei Kassen und -verbänden zeigt ein homogenes Meinungsbild: Man will lieber in Versorgungsqualität investieren als kurzfristig den Begehrlichkeiten der Politik nachzugeben.

Die Techniker Krankenkasse zieht "langfristige Beitragsstabilität im Vergleich zu kurzfristigen Wettbewerbsvorteilen durch eine Prämienausschüttung vor", sagte TK-Sprecherin Dorothee Meusch.

Daher könne man den Mitgliedern für dieses Jahr und für 2013 und 2014 den Verzicht auf einen Zusatzbeitrag garantieren. Die TK hat nach vorläufigen Zahlen das Jahr 2011 mit einem Plus von 960 Millionen Euro abgeschlossen. Der Überschuss im laufenden Jahr werde "weitaus geringer ausfallen".

Die DAK-Gesundheit hat im vergangenen Jahr ein Überschuss von 350 Millionen Euro verzeichnet, sagte ein Sprecher. Für das laufende Jahr geht die Kassen Prognosen zufolge von einem Plus von 100 Millionen Euro aus.

Mit der Abschaffung des Zusatzbeitrags zum 1. April habe die DAK-Gesundheit "ihre Hausaufgaben gemacht".

Die Barmer GEK verzeichnete 2011 einen Überschuss von schätzungsweise 300 Millionen Euro, Zahlen für 2012 gebe es noch nicht, sagte Barmer GEK-Sprecher Athanasios Drougias.

Die aktuelle Diskussion über Prämienausschüttungen zeigte die Kurzatmigkeit der Debatte. Die Kasse würde die Rückkehr zu einer Beitragssatzautonomie befürworten.

Der BKK-Bundesverband hat nach eigenen Angaben keinen Überblick über die Finanzsituation der Mitgliedskassen, die insgesamt 12,7 Millionen Menschen versichern.

Es gibt Betriebskassen mit schwieriger Finanzsituation, aber auch BKKen, die Prämien von 30 Euro (BKK ATU) bis 100 Euro (BKK Aesculap) ausschütten. Nur die einzelnen Kassen könnten ihre Finanzlage einschätzten, sagte Heinz Kaltenbach, Geschäftsführer des BKK Bundesverbandes.

Die größte Innungskrankenkasse IKK Classic mit 3,6 Millionen Versicherten weist in den ersten drei Quartalen 2011 einen Überschuss von 149 Millionen Euro aus. Erst im Mai werde das Gesamtergebnis vorliegen. Eine Prämienausschüttung plant die Kasse nicht, sagte Sprecher Michael Förstermann.

Erst im August 2011 hat die IKK Classic mit der angeschlagenen Vereinigten IKK fusioniert. Deren vormals 1,7 Millionen Versicherte bleibe so der frühere Zusatzbeitrag erspart.

Förstermann lehnte ein kurzfristiges "Beitragsjojo" ab. Die Politiker hätten stets den Versorgungs- im Vergleich zum Beitragsatz wettbewerb favorisiert. Davon spüre man derzeit wenig.

Werden Mittel eingespart?

Unterdessen verselbstständigt sich die Debatte über Prämienausschüttungen: Landespolitiker und Kassenärztliche Vereinigungen überbieten sich mit Ideen, wie das Geld verwendet werden könnte:

Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg (FDP) will die Überschüsse für die Abschaffung der Praxisgebühr, einen bundeseinheitlichen Basisfallwert für die Kliniken und für die Entlastung von Bürgerentlastung nutzen. Zugleich müsse man den Kassen Reserven lassen, so Garg.

Wichtig sei, dass die Überschüsse auf Bürgerentlastung, Reservenbildung bei den Kassen und Sicherung der stationären Versorgung aufgeteilt werden. "Es macht keinen Sinn, den Kassen alle Überschüssen nehmen zu wollen, die dann in schlechten Zeiten wieder fehlen."

Aus Sicht der KVen Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein sind die Finanztöpfe der Kassen auch deswegen so prall gefüllt, weil die Kassen Mittel in einzelnen Regionen einsparen, hieß es. Bevor über Beitragsrückzahlungen diskutiert werde, müsse die regionale Versorgung "wettbewerbsgleich" finanziert werden.

Mitarbeit: fst/sun/chb/di/iss

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