ADHS und Co

Kinder immer noch unterversorgt

Jedes fünfte Kind oder jeder fünfte Jugendliche leidet an Verhaltensstörungen, oft ADHS. Die Betroffenen erhalten mehr Therapien - sind aber noch immer unterversorgt.

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Zappelphilipp: Wird allen geholfen?

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© Busse / imago

BERLIN (HL). Kinder und Jugendliche, die unter psychischen Auffälligkeiten leiden, erhalten in zunehmendem Ausmaß entsprechende Ergotherapien.

Nach Analysen der Barmer GEK-Routinedaten, die am Dienstag in einem Report in Berlin vorgestellt worden sind, ist für elf Prozent der Betroffenen im Alter zwischen sieben und 17 Jahren die Diagnose "psychische Störung" gestellt worden.

Bei gut der Hälfte - sechs Prozent - wurde ADHS diagnostiziert. Aber nur 14 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen erhalten eine Therapie.

Nach Auffassung der Studien-Autoren gibt es Hinweise darauf, dass die differenzierte Behandlung spezifischer Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend stattfindet.

Allerdings fehle es an evidenzbasierten Entscheidungshilfen für die ergotherapeutische Versorgung, räumen die Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Gerd Glaeske ein.

Bei der Barmer GEK waren im Beobachtungszeitraum 2010 knapp 895.000 Kinder und Jugendliche versichert. 10,7 Prozent davon bekamen eine Diagnose zur psychischen und Verhaltensstörungen gestellt.

Jungen werden häufiger behandelt als Mädchen

Besonders auffällig sei dabei die Häufung von ADHS bei Jungen zwischen sieben und 13 Jahren; bei Mädchen ist die Prävalenz deutlich geringer als bei Jungen.

Von den betroffenen Kindern und Jugendlichen haben knapp 13.800 mindestens eine Ergotherapie-Versorgung bekommen. Kleinere Kinder sowie Jungen werden deutlich häufiger behandelt als Jugendliche und Mädchen. Am häufigsten bekommen Kinder mit ADHS eine Verordnung.

Im mittelfristigen Vergleich zeigt sich, dass sowohl Mädchen als auch Jungen deutlich intensiver behandelt werden. So hat sich binnen drei Jahren die Behandlungsprävalenz bei Mädchen auf fünf Prozent verdoppelt, bei Jungen ist sie um 60 Prozent auf 16 Prozent gestiegen.

Trotz der wahrscheinlichen Unterversorgung der betroffenen Kinder und Jugendlichen sind die Studienautoren der Auffassung, dass das medizinische Versorgungssystem nicht als "Ersatz" für Erziehungskonzepte genutzt werden solle.

Vielmehr sollte auf Basis einer sorgfältigen Diagnosestellung der "wirkliche" Behandlungsbedarf gedeckt werden. Gerade dafür mangelt es aber an Evidenz.

Lesen Sie dazu auch: Barmer GEK fordert: Medizinprodukte auf Nutzen überprüfen

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Kommentare
Dr. Fritz Gorzny 19.09.201222:59 Uhr

Keine Änderung zu erwarten, wenn nicht auch die Augen mit einbezogen werden

Bei den inzwischen vielen Tausenden Jugendlichen mit AD(H)S und begleitender LRS zeigten sich regelmässig Funktionsstörungen im Sinne einer assozierten Heterophorie vulgo Winkelfehlsichtigkeit. Nach prismatischem oder operativen Ausgleich der Heterophorie besserte sich spontan die Symptomatik und Ergotherapeuten oder Logopädeden konnten wesentlich erfolgreicher ihre therapeutischen Bemühungen einsetzen.Die Untersuchungen sollten allerdings nach der Mess-und Korrektionsmethode nach H.J.Haase am Polatest durchgeführt werden, da bei dieser Untersuchungsmethode die Fusion und vor allem der Fusionszwang berüchsichtigt wird.
Infos und Anwenderliste unter IVBS.org
Dr.Fritz Gorzny. Vizepräsident der Internationalen Gesllschaft für Binkulares Sehen (IVBS)

Dr. Hartmut Rodina 19.09.201212:09 Uhr

ADHS-Kinder erhalten zu wenig Ergotherapie?

Das Heilmittel-Budget eines Hausarztes in Rheinland-Pfalz beträgt pro Mitglied/Angehörigen im Quartal 8,74 €. Über diese Durchschnittswerte hinaus gehende Kosten werden nicht von den kranken Kassen, sondern von den verordnenden Ärzten selbst bezahlt. Seit fast 20 Jahren arbeiten wir Ärzte unter diesen Menschen verachtenden Vorgaben - ein wichtiger Grund, warum junge Kollegen ins Ausland und ältere in den Vorruhestand flüchten.

Karin Hübner 19.09.201211:58 Uhr

Bei psychischen Auffälligkeiten von Kindern Ergotherapie?

Diagnostik und Behandlung psychischer Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen fallen in erster Linie in das Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiater und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. In Ermangelung ausreichender Versorgung durch diese Fachgruppen und der damit verbundenen langen Wartezeiten, wird meiner Erfahrung nach oft an Ergotherapeuten überwiesen. Hier allerdings entsteht der Eindruck, Ergotherapeuten seien für die Therapie psychischer Störungen ausgebildet und zuständig.

Karin Hübner
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin

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