Im Auftrag der Krankenkassen

Kosten für Bürgergeldbezieher: GKV-Spitzenverband startet mit Klagen gegen den Bund

Es geht um mehrere Milliarden Euro – und das seit Jahren: Nun hat der GKV-Spitzenverband wegen der Kosten für Bürgergeldbezieher erste Klagen gegen den Bund eingereicht. Eine schnelle Entscheidung ist nicht zu erwarten.

Veröffentlicht: | aktualisiert:
Klagen für die Krankenkassen eingeleitet: Gebäude des GKV-Spitzenverbandes in Berlin-Mitte.

Klagen für die Krankenkassen eingeleitet: Gebäude des GKV-Spitzenverbandes in Berlin-Mitte.

© Z6944 Sascha Steinach / ZB / pic

Berlin. Ende Oktober hatte der Chef beim GKV-Spitzenverband im Interview mit der Ärzte Zeitung bekräftigt: Im November, so Oliver Blatt, werde der GKV-Verband – wie zuvor vom Verwaltungsrat beschlossen – wegen den Bürgergeld-Kosten den Klageweg gegen den Bund beschreiten. Dies werde im Auftrag einzelner Krankenkassen geschehen.

Am Wochenende wurde nun bekannt: Laut einem Bericht der „Rheinischen Post“ (29. November) sind erste Klagen beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingereicht worden. Weitere sollen demnach folgen.

AOK: Inzwischen über 100 Milliarden Euro

Unter den Kassen, die klagen, sind die Techniker Krankenkasse (TK) und die DAK Gesundheit. „Der Staat kommt bei den Krankenkassenbeiträgen für Bürgergeldempfänger seiner finanziellen Verantwortung nicht nach“, sagte TK-Vorstandschef Dr. Jens Baas am Montag. Seine Kasse, unterstütze die Klage, „um mehr Fairness für die Versicherten durchzusetzen.“

Der Chef der DAK Gesundheit, Andreas Storm, erklärte: „Beitragszahler dürfen nicht länger Kosten tragen, die aus Steuermitteln zu decken sind. Wir können nicht länger dabei zusehen, wie zulasten der Beitragszahlenden die Gesundheitspolitik immer unsolider finanziert wird.“

Für die elf Ortskrankenkassen erklärte die Chefin des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann: „Jahr für Jahr bleiben die Krankenkassen auf zwei Dritteln der Kosten für die Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeld-Beziehenden sitzen.“ Dieser Missstand bestehe seit gut einem Jahrzehnt. Das Volumen „zweckentfremdeter“ Mittel liege somit mittlerweile bei mehr als 100 Milliarden Euro.

Grundlagenbescheide als Klagegegenstand

„Klagegegenstand“ sind die seit Mitte November an die einzelnen Krankenkassen versandten Grundlagenbescheide des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS). Da das Amt seinen Sitz in Bonn hat, ist zunächst das NRW-Gericht zuständig. Ziel der Krankenkassen, schreibt die „Rheinische Post“, sei eine Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht.

Um Peanuts dreht es sich bei dem Streit nicht: Laut einem vom GKV-Verband beauftragten Forschungsgutachten durch das Berliner IGES-Institut geht es um eine Unterdeckung bei den Bürgergeld-Kosten von AOK, TK & Co. um insgesamt rund 9,2 Milliarden Euro – errechnet für das Jahr 2022.

Angesichts der anhaltend hohen Zahl an Bürgergeldbeziehenden – aktuell sind es rund 5,5 Millionen – sei davon auszugehen, dass die GKV-Gemeinschaft jedes Jahr in einer Größenordnung von rund zehn Milliarden Euro belastet werde – und zwar mit einer Aufgabe, die der staatlichen Daseinsvorsorge zuzuordnen und daher mit Steuermitteln zu kompensieren sei.

Langwieriges Verfahren erwartet

Die Politik hat in der Vergangenheit mehrfach eine Lösung zugesagt. So findet sich sowohl im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD („Merkel IV“) von März 2018 wie auch im Koalitionsvertrag der Ampel von Ende 2021 das Versprechen, kostendeckende GKV-Beiträge für Bürgergeldbezieher (zuvor ALG-II) aus Steuermitteln finanzieren zu wollen. Allein: Es ist bei den Versprechungen geblieben.

Lesen sie auch

Das wollen die Kassen nicht länger hinnehmen. „Uns ist klar, dass das ein langwieriges Verfahren wird“, so GKV-Chef Blatt gegenüber der Ärzte Zeitung Ende Oktober. Deshalb wolle man auch weiter mit der Politik sprechen.

„Ab jetzt rollt die Klagewelle!“

Die Botschaft bleibe jedoch die gleiche, so Blatt: „Die Kassen können nicht laufend den Staatshaushalt mit Beitragsmitteln aus den Portemonnaies unserer Versicherten und der Arbeitgeber subventionieren.“

„Die gesetzlichen Krankenkassen subventionieren hier den Staat“, stellte auch die Verwaltungsratsvorsitzende und Arbeitgebervertreterin im GKV-Spitzenverband, Dr. Susanne Wagenmann, fest. Ihr Pendant auf der Versichertenseite, Uwe Klemens, sagte, die Kassen stünden nun an einem Punkt, wo sie sagte: „Jetzt ist es genug.“ Ab jetzt rolle die Klagewelle – „und wir lassen nicht locker“. (hom)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Überraschender Parteitagsbeschluss

Grünen-Parteitag wendet sich gegen Globuli auf Krankenkassen-Kosten

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Was bringen die neuen Hybrid-DRG für die Praxis, Herr Henniger?

Primärprävention

Empfehlungen aktualisiert: LDL-Cholesterin wann und wie senken?

Lesetipps
Ein Kopf mit Puzzelteilen.

© Belight / stock.adobe.com

Nutzenbewertung

IQWiG erkennt keinen Zusatznutzen für Alzheimer-Antikörper Lecanemab