Land-MVZ - Chance für angestellte Ärzte

MVZ sind kein Mittel gegen Ärztemangel auf dem Land, sagt die KBV. Ein Beispiel aus Brandenburg zeigt das Gegenteil.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
MVZ-Vorteil: interdisziplinäre Kooperation mit Kollegen.

MVZ-Vorteil: interdisziplinäre Kooperation mit Kollegen.

© Oberhavel-Kliniken GmbH (2)

Die Hausärztin Barbara Schumann arbeitet in ihrer Praxis im 500-Seelen-Dorf Menz im Norden des Brandenburger Landkreises Oberhavel mit ihrer Helferin wie eh und je.

Vordergründig sieht alles aus wie in einer ganz normalen Landarztpraxis. Nur nicht das Praxisschild. Dort steht seit Juli 2011 über dem Namen der Ärztin "Oberhavel Gesundheitszentrum - Zweigpraxis des MVZ Gransee".

Schumann wollte gern enger mit ihren Kollegen in der 13 Kilometer entfernten Klinik Gransee zusammenarbeiten. Für die Mittvierzigerin, die die Praxis lange freiberuflich geführt hat, ging es beim Einstieg in das MVZ nicht um die Sicherung der Praxisnachfolge.

Sie erhofft sich aus der Mitarbeit im MVZ vielmehr eine Qualitätsverbesserung für ihre Arbeit und einen aktiven Erfahrungsaustausch mit ihren Kollegen.

Von Verwaltungsarbeiten und der Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung ist sie als angestellte Ärztin nun weitgehend entlastet.

Die Oberhavel Gesundheitszentrum GmbH hat sich über den Kooperationswunsch der Allgemeinmedizinerin gefreut. "Wir stehen allen Formen von Kooperationen mit niedergelassenen Ärzten offen gegenüber", sagt Simone Kowalke.

Vom Versorgungsstrukturgesetz (VStG) hätte die Praxisadministratorin der MVZ-Trägergesellschaft eine Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten erwartet.

Innovatoren Klinik-MVZ

Am meisten stört sie aber, dass die Versorgungszentren in der Trägerschaft von Krankenhäusern durch das VStG schlechter gestellt werden. So haben sie im Wettbewerb mit niedergelassenen Ärzten künftig per Gesetz das Nachsehen, wenn es um den Erwerb einer ausgeschriebenen Praxis geht.

Die MVZ-Managerin hält einige der gesetzlichen Neuregelungen für MVZ für kontraproduktiv.

Land-MVZ arbeiten mit Filialen

Medizinische Versorgungszentren im ländlichen Raum arbeiten häufiger mit Zweigstellen als in Großstädten.

Im Bundesdurchschnitt haben 47 Prozent der MVZ Filialen, in ländlichen Regionen sind es 57,7 Prozent. Das hat eine Umfrage des Bundesverbandes der Medizinischen Versorgungszentren im Sommer 2011 ergeben.

Besonders hoch ist der Anteil der MVZ mit Filialen in Sachsen-Anhalt. Dort haben mehr als vier Fünftel aller MVZ mindestens zwei Betriebsstätten.

"Gerade Klinik-MVZ starten innovative Versorgungsprojekte und sichern die Versorgung im ländlichen Raum", sagt Kowalke. Das könnten sie zwar nicht alleine, aber gemeinsam mit und in Ergänzung zu den niedergelassenen Ärzten vor Ort.

Einige Vorgaben des neuen Gesetzes sind in den MVZ der Oberhavel Gesundheitszentrum GmbH bereits umgesetzt. So arbeiten die ärztlichen Leiter der beiden Versorgungszentren an den Standorten Gransee und Oranienburg im Norden von Berlin schon jetzt vor Ort, wie es ab Januar vorgeschrieben ist.

Hürde Residenzpflicht

Bei aller Kritik an den neuen MVZ-Regelungen des Gesetzes - mit Blick auf den Ärztemangel erwartet Kowalke spürbare Verbesserungen. Positiv bewertet sie, dass Ärzte ihren Wohnsitz dann nicht mehr so nah am Arbeitsort haben müssen.

"Wir sind froh, dass die Residenzpflicht fällt. Die war eine echte Hürde", sagt die MVZ-Managerin. Denn den Ärztemangel in ländlichen Regionen spüren auch MVZ.

Der Hausarzt am MVZ-Standort Gransee ist bereits 70 Jahre alt. Nächstes Jahr will er in Rente gehen. Im Landkreis Oberhavel gibt es 17 offene Hausarztstellen. "Da sind wir als größere Einrichtung genauso betroffen wie einzelne Praxen", sagte Kowalke.

Etwas besser als die niedergelassenen Kollegen schätzt die MVZ-Managerin die Position der Versorgungszentren bei der Nachwuchsgewinnung allerdings schon ein.

"Mit der Möglichkeit zur Angestelltentätigkeit sind sie für manche junge Ärzte attraktiver, weil sie einen geschützteren Einstieg in die ambulante Versorgung bieten als eine Niederlassung", sagt Kowalke. Es gibt kein wirtschaftliches Risiko.

Oberhavel Gesundheitszentrum: Expansives Klinik-MVZ

Hier werden Vertragsärzte nicht verdrängt: Im Norden von Berlin sichert ein Klinik-MVZ die Versorgung.

Das MVZ Gransee nimmt rund ein Drittel der Fläche im Parterre der 70-Betten-Klinik Gransee und ein Viertel des Untergeschosses ein. Sieben Ärzte sind dort angestellt, darunter ein hausärztlicher Internist und ein Chirurg. Ein Neurologe und ein Psychiater teilen sich einen Arztsitz. Eine mit drei Radiologen besetzte Praxis gehört seit Oktober 2011 zum MVZ. Seit Juli ist die Hausarztpraxis in Menz als Zweigpraxis integriert.

Das MVZ Gransee bildet gemeinsam mit dem MVZ Oranienburg die Oberhavel Gesundheitszentrum GmbH. Rechnet man die Poliklinik nach altem Recht (Paragraf 311 SGB V) am Standort Hennigsdorf dazu, dann gehören vierzehn Vertragsarztsitze zu dem regionalen Verbund.

Die Gesundheitszentrum GmbH ist eine Tochtergesellschaft der Oberhavel Kliniken GmbH. Eigentümer ist der Landkreis Oberhavel. Zum Verbund zählen die Kliniken Hennigsdorf (347 Betten) und Oranienburg (211 Betten) im Norden von Berlin. 2010 hat die regionale GmbH die Klinik Gransee vom privaten Klinikkonzern Sana übernommen. Ein Schwerpunkt liegt auf der psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Versorgung. Diese Abteilung umfasst 92 Betten und 51 tagesklinische Plätze. Zuletzt wurde in Gransee eine psychiatrische Tagesklinik mit 18 Plätzen eröffnet.

Die drei Kliniken behandeln pro Jahr im Schnitt 24 000 Patienten stationär, 50 000 ambulant. Das MVZ Gransee rechnet aufgrund neuer Praxen 2012 mit rund 12 000 Patienten. 2011 waren es etwa 8000.

Schwache Struktur der Versorgung in Brandenburg

Brandenburg ist das Land mit der geringsten Arztdichte - egal ob es um Hausärzte, Vertragsärzte oder Krankenhausärzte geht. Daher hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) im Laufe der Beratung über das Versorgungsstrukturgesetz immer wieder auf das Land verwiesen.

In Brandenburg kommen laut KV 1718 Einwohner auf einen Hausarzt. Im Bundesschnitt ist ein Hausarzt nur für 1288 Einwohner zuständig. Hausärzte in Brandenburg versorgen rund 430 Einwohner mehr als im Bundesschnitt. Insgesamt sind 1538 Hausärzte in Brandenburg tätig, darunter ein stetig wachsender Teil von Internisten.

Die Landesärztekammer zählte zum Jahresbeginn 2011 insgesamt gut 3500 Ärzte in der ambulanten Versorgung. Davon waren 2128 in Einzelpraxen tätig. Nur 339 arbeiteten in Medizinischen Versorgungszentren. Das waren aber zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Von den 58 MVZ in Brandenburg sind laut Bundesverband der Medizinischen Versorgungszentren 64 Prozent in der Hand von Krankenhäusern.

In den 52 Brandenburger Krankenhäusern waren laut Kammerstatistik zum Jahresbeginn 4436 Ärzte tätig. Die Krankenhäuser versorgten im vergangenen Jahr laut Krankenhausstatistik des Landes mehr als 537 000 Patienten. Je 10 000 Einwohner ist die Zahl der Behandlungsfälle leicht von 2134 im Vorjahr auf 2149 gestiegen. Damit liegt Brandenburg unter dem Bundesdurchschnitt von 2206.

Ein Trend zu einem höheren Frauenanteil in der ärztlichen Versorgung lässt sich in Brandenburg nicht erkennen. Allerdings ist der Anteil der Ärztinnen mit 52 Prozent traditionell ohnehin deutlich höher als im Bundesdurchschnitt und vor allem in den westlichen Bundesländern. An der ambulanten Versorgung wirken in Brandenburg Ärztinnen laut Kammerstatistik sogar zu 56 Prozent mit.

Eine gewisse Kompensation dürfte das dichte und hoch spezialisierte Leistungsangebot der Hauptstadt ermöglichen. Andererseits ist die Peripherie Brandenburgs an den Grenzen zu Polen, Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt strukturell unterentwickelt.

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