Arzneimittelausfuhren
Wirtschaftsinstitut: Pharmazölle könnten für die USA „nach hinten losgehen“
US-Präsident Trump hat offensichtlich Freude daran, die Märkte aufzumischen. Eben war noch die Autoindustrie dran, jetzt lässt er die Puppen im Pharmageschäft tanzen.
Veröffentlicht:Köln. Die Ankündigung des US-Präsidenten, ab 1. Oktober Arzneimittelimporte mit 100 Prozent Aufschlag zu belegen, sofern Pharmaunternehmen nicht auch in den Vereinigten Staaten Fabriken unterhielten, sorgt in der Branche für massive Verunsicherung. Allerdings könnte der Schuss auch „nach hinten losgehen“, spekuliert das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) eingedenk der Importabhängigkeit der US-amerikanischen Gesundheitsversorgung.
„Schwer zu sagen, wie stark Trumps jüngster Zoll-Einfall die deutschen Pharmahersteller trifft“, heißt es in einer Institutsmitteilung am Freitag. Noch sei völlig unklar, an welcher Stelle und in welchem Umfang die Zölle und die Ausnahmen davon greifen sollen. Treffen werde es die deutschen Marktteilnehmer aber „in jedem Fall“, da US-amerikanische Arzneimittelproduzenten fast 90 Prozent der benötigten Vorleistungen aus dem Ausland bezögen – „mehr als zwei Drittel davon aus Europa, insbesondere aus Irland, der Schweiz und Deutschland“.
Hohe Importabhängigkeit
2024 hätten die USA pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von rund 127 Milliarden Dollar aus der EU eingeführt. Insbesondere bei Antibiotika und Antidiabetika sei die Abhängigkeit von europäischen Kapazitäten hoch. Bei Insulinen betrage die Importabhängigkeit der USA von Europa „knapp 90 Prozent“; wobei rund die Hälfte der Insulineinfuhren aus Deutschland stamme. „Ohne Importe“, so das Fazit der Kölner Wirtschaftsanalysten, „wäre das amerikanische Gesundheitssystem kaum funktionsfähig“. Die Zeche zu zahlen hätten die Patienten.
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) zeigte sich am Freitag „sehr besorgt“ über die Zollankündigung. Wenn der „15-Prozent-Deal nicht auch für Pharmaprodukte gilt, ist er nichts wert“, so Verbandsgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup in Anspielung auf das unlängst zwischen der Trump-Administration und der EU-Kommission geschlossene Handelsabkommen, das rückwirkend zum 1. August 15 Prozent Zoll für Autoeinfuhren in die USA sowie etliche weitere Produkte vorsieht, darunter auch Generika und deren Inhaltsstoffe.
Die Kommission, so Große Entrup weiter, müsse jetzt „mit breitem Kreuz darauf drängen“, dass auch pharmazeutische Erzeugnisse dem vereinbarten Einheitszoll unterliegen. 2024 haben laut VCI in Deutschland ansässige Firmen Pharmaprodukte für rund 27,9 Milliarden Euro in die USA exportiert. Was nach Angaben des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) einem Viertel der hiesigen Pharma-Ausfuhren entspricht.
Entwarnung aus Brüssel
Die angekündigten Importzölle „hätten gravierende Auswirkungen auf die internationalen Lieferketten, verteuerten die Produktion von Arzneimitteln und gefährdeten die Versorgung von Patientinnen und Patienten“, ließ vfa-Präsident Han Steutel verlauten. Zudem würden heimische Investitionen ausgebremst. Steutel: „Wir sehen schon jetzt, dass Investitionen am Standort eingefroren werden“.
Unterdessen signalisiert Brüssel Entwarnung. Wie die Deutsche Presseagentur berichtet, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission bereits, man gehe davon aus, „dass Deutschland und andere EU-Staaten von den angekündigten Zöllen in Höhe von 100 Prozent ausgenommen werden“. In der im August veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der EU und der USA zu Handelsfragen sei klar festgehalten, dass auch für den Bereich der Pharmazeutika eine Zollobergrenze von 15 Prozent für EU-Exporte gelte, heißt es. Europäische Wirtschaftsakteure seien demnach nicht mit höheren Zöllen konfrontiert. (cw/dpa)