Diskussionsbedarf
Medizinethiker fordert flexiblere Gesetze im Embryonenschutz
Das deutsche Embryonenschutzgesetz sei unflexibel. Es lasse nicht zu, auf Neuerungen wie die der Erzeugung von embryonenähnlichen Strukturen aus Stammzellen zu reagieren, kritisiert der Medizinethiker Nils Hoppe.
Veröffentlicht:Frankfurt am Main. Jüngste Entwicklungen in der Stammzellforschung sollten aus Sicht des Medizinethikers Nils Hoppe eine neue Debatte anstoßen. „Man könnte die Forschung an embryonenartigen Strukturen, die ohne Keimzellen entstehen, grundsätzlich erlauben“, sagte Hoppe im Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Solche Zellgebilde hatten britische Forscher unlängst erzeugt.
Das deutsche Embryonenschutzgesetz gehe indes davon aus, dass Embryonen aus Keimzellen entstehen. „Es ist unflexibel und lässt nicht zu, auf technische Neuerungen wie die der Erzeugung von embryonenähnlichen Strukturen aus Stammzellen zu reagieren“, kritisierte der Wissenschaftler, der unter anderem Geschäftsführender Leiter des Centre for Ethics and Law in the Life Sciences (CELLS) in Hannover ist. „Gesetze müssen in neuen Kontexten interpretierbar sein. Das ist dieses Gesetz vollumfänglich nicht“.
„Möglicherweise eine dritte Form von Embryonen“
Der Zweck des Embryonenschutzgesetzes sei es ursprünglich unter anderem gewesen, zu verhindern, „dass etwa in Kinderwunschkliniken massenhaft überzählige Embryonen erzeugt werden, die dann in der Forschung verwendet werden“. Darum gehe es bei der aktuellen Entwicklung jedoch nicht, betonte Hoppe. „Bisher haben wir beim Embryonenschutz immer nur zwei Arten von Embryonen im Blick gehabt. Zum einen solche, die im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung entstanden sind, aber nicht implantiert wurden. Zum anderen Embryonen, die im Labor extra für die Forschung hergestellt wurden.“ Nun komme „möglicherweise eine dritte Form von Embryonen hinzu“.
Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet bisher Experimente an menschlichen Embryonen. Die rechtliche Einordnung von synthetischen, aus Stammzellen reprogrammierten Embryonen bleibt allerdings weltweit unklar.
Was ist „würdevoll“?
Den Begriff von Würde in diesem Zusammenhang finde er „schwierig“, sagte Hoppe: „In Deutschland ist es mit der Würde eines Embryos nicht vereinbar, als Mittel zum Zweck, also etwa für die Forschung, verwendet zu werden. Warum ist es würdevoller, wenn überschüssige Embryonen aus einer Kinderwunschbehandlung ultimativ als Krankenhausabfall vernichtet werden?“
Der Experte zeigte sich skeptisch, ob sich der Gesetzgeber der neuen Technologie zügig stellen werde. Zu einer solchen Diskussion müssten sich aus seiner Sicht auch andere Institutionen wie die Kirchen oder der Ethikrat positionieren. Der Diskussionsbedarf jedenfalls werde größer. (KNA)