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Medizinischer Dienst: Pflegebedürftigkeit bei Kindern nimmt zu
Alt und pflegebedürftig – meist ist das so. Doch auch junge Menschen sind zunehmend auf Pflege angewiesen. Die Zahl entsprechender Begutachtungen wachse, notiert der Medizinische Dienst Bund in einem neuen Report.
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Mit Liebe und Pflege: Laut MD Bund nimmt die Zahl Pflegebegutachtungen bei Kindern und Jugendlichen zu.
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Berlin. In Deutschland werden laut Medizinischem Dienst Bund (MD) derzeit rund 5,6 Millionen pflegebedürftige Menschen gezählt – doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Das Gros der Bedürftigen (90 Prozent) lebt zu Hause.
Und die Bedarfe wachsen: So ist die Zahl der Pflegebegutachtungen der Medizinischen Dienste auf zuletzt über drei Millionen gestiegen. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 erfolgten rund 1,5 Millionen Pflegebegutachtungen.
Ursächlich für die steigenden Zahlen sei zum einen die Demografie, zum anderen die Pflegereform aus dem Jahr 2017, erläuterte MD-Vize Carola Engler bei der Vorstellung seines ersten Reports „Pflegebedürftigkeit“ am Donnerstag in Berlin.
Pflegebegutachtung stärker fokussieren
Zur Einordnung: 2017 wurde das Begutachtungsverfahren in der Pflege grundlegend verändert. Körperliche, kognitive, psychische und psychiatrische Beeinträchtigungen sind seither bei der Feststellung des Pflegegrades berücksichtigt. Heißt: Auch Menschen mit psychischen und psychiatrischen Einschränkungen können einen Pflegegrad erhalten.
Die meisten pflegebedürftigen Versicherten (57,4 Prozent) beantragen laut Report Pflegegeld: Sie setzen auf die Pflege in der eigenen Häuslichkeit durch An- und Zugehörige und ohne professionelle Hilfe, sprich einen Pflege- oder Sozialdienst.
Knapp zwölf Prozent beantragten ambulante Leistungen, gut 20 Prozent Kombinationsleistungen aus Pflegegeld und Sachleistungen. Lediglich 10,2 Prozent stellten einen Antrag auf vollstationäre Pflege.
Aufhorchen lässt: Laut MD-Report nimmt die Pflegebedürftigkeit bei Jüngeren und Kindern zu. So hat sich die Zahl der Begutachtungen bei pflegebedürftigen Kindern in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht – von 53.000 Begutachtungen im Jahr 2015 auf zuletzt 162.000.
Hyperkinetische Störungen häufige Ursachen
Hyperkinetische Störungen wie ADHS und Entwicklungsstörungen sind bei Kindern und Jugendlichen die häufigste pflegebegründende Diagnose. Downsyndrom und Diabetes Typ 1 machen einen Anteil von 2,6 beziehungsweise 2,5 Prozent aus. Auch pflegebedürftige Kinder werden meistens zu Hause ohne professionelle Hilfe versorgt.
MD-Vize Engler warb dafür, die Pflegebegutachtung „zu modernisieren“, damit für Versicherte weiter ein zeitnaher Zugang zur pflegerischen Versorgung gewährleistet sei.
Da die meisten Pflegebedürftigen zu Hause versorgt würden, sei die Pflegebegutachtung auf eben diese Pflegesituationen fokussieren, um im Zusammenwirken mit Pflegekassen, Kommunen und weiteren Akteuren die Pflegebedürftigen und die pflegenden Angehörigen besser zu unterstützen und zu entlasten.
Telefonbegutachtung weniger belastend
Auch der Einsatz des Telefoninterviews in „geeigneten Fallkonstellationen“ zur Begutachtung sei auszubauen – dies ist seit dem Jahr 2023 ergänzend zur persönlichen Begutachtung möglich.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte, die telefonische Begutachtung habe sich in der Corona-Pandemie bewährt und sei aus Sicht der Betroffenen „nachvollziehbar und konsequent“, weil mitunter weniger belastend.
Gleichwohl bleibe die direkte Begegnung im Rahmen eines Hausbesuches durch den Medizinischen Dienst die beste Grundlage für eine Einschätzung der jeweiligen Pflegesituation. (hom)