Mehr Bürokratie für die Krankenkassen

Das neue Wettbewerbsrecht für die Kassen soll vor allem gute Versorgung ankurbeln. Doch der Schuss könnte nach hinten losgehen. Die Pläne bringen laut Kritikern nicht nur neue Bürokratie, sondern könnten die Kassen sogar in eine rechtliche Zwickmühle bringen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Gedrängel der Bürokraten: Sind künftig zwei Behörden für die Aufsicht der Krankenkassen zuständig?

Gedrängel der Bürokraten: Sind künftig zwei Behörden für die Aufsicht der Krankenkassen zuständig?

© [M] Papsch / imago | dpa

BERLIN. Gesetzliche Krankenkassen sollen in den Wettbewerb untereinander geschickt werden, der vom Kartellrecht kontrolliert werden soll.

Dieses Vorhaben in der Novelle des Wettbewerbsrechts (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB) ist hoch umstritten. Doch in der ersten Beratung im Bundestag am Freitag hat kein Gesundheitspolitiker der Union Stellung bezogen.

Dabei mangelt es nicht an unionsinternem Widerstand. Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) hatte bereits im April in einem Schreiben an Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) vor einer Vermischung von Sozialrecht und Kartellrecht in der GKV gewarnt.

Denn dadurch werde der "Wertungswiderspruch (verstärkt) zwischen dem auf Kooperation ausgerichteten Sozialrecht und dem Kartellrecht, das ein umfassendes Kooperationsverbot" fordert, schrieb Singhammer.

Er befürchte "erhebliche Rechtsunsicherheit" und warnte, die GWB-Novelle werde "mehr Probleme schaffen als lösen".

Arbeitsbeschaffung für das Kartellamt?

Damit liegt Singhammer auf gleicher Linie mit der Opposition – und schwieg daher in der Debatte ebenso wie andere profilierte Gesundheitspolitiker der Union.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler beließ es bei der Pauschalaussage, das Kartellrecht sei "die beste Garantie für gute Leistungen und mehr Wettbewerb" der Krankenkassen.

Anders sieht das sein Fraktionskollege Lars Lindemann (FDP), der allerdings nicht im Bundestag sprach: "Wettbewerb hat im Gesundheitswesen eine andere Funktion als in der freien Wirtschaft", sagte Lindemann der "Ärzte Zeitung".

Die grüne Gesundheitspolitikerin Birgitt Bender kritisierte die "Nacht- und Nebel-Aktion zweier FDP-Minister", in der die GKV in die Novelle aufgenommen worden sei.

Tatsächlich sahen die ersten Gesetzentwürfe zunächst keine Änderungen für die Kassen vor. Bender mutmaßte, die FDP wolle dem Bundeskartellamt mit der neuen Zuständigkeit für die gesetzlichen Kassen zusätzliche Arbeit bescheren, da immer mehr Kartellverfahren auf EU-Ebene entschieden werden.

Widersprüchliche Rechtsrahmen

Sie warnte vor Doppelzuständigkeiten, wenn parallel das Bundesversicherungsamt und das Bundeskartellamt die GKV beaufsichtigen.

Zudem sei es ein Akt "politischer Schizophrenie", die Beziehungen der Kassen untereinander dem Wettbewerbsrecht zu unterwerfen. Denn dann würden Kooperationsverbot (GWB) und Kooperationsgebot (Sozialgesetzbuch V) gleichzeitig gelten .

Auch Karl Lauterbach (SPD) appellierte an die Union: "Helfen Sie uns, diesen Murks zu verhindern!"

Er warnte, viele Arbeitsgemeinschaften der Kassen seien bei Geltung des Wettbewerbsrechts nicht mehr möglich, so etwa für das Mammografie-Screening, aber auch beispielsweise Festbetragsregelungen.

Denn die Private Krankenversicherung (PKV) hätte dann die Möglichkeit, gegen die gemeinsam und einheitlich festgelegten Höchstpreise für Medikamente zu klagen, so Lauterbach.

Die PKV sei demnach der Profiteur der geplanten GWB-Novelle, da die bisherigen Kostendämpfungsinstrumente der GKV ausgebremst werden könnten, warnte der SPD-Politiker.

Der Wirtschaftsausschuss des Bundestags hat am Dienstag eine öffentliche Anhörung zur GWB-Novelle beschlossen. Als Termin ist die letzte Juniwoche vorgesehen.

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