Kommentar
Mehr Mut zu Investitionen dringend notwendig
An die chronische Unterfinanzierung öffentlicher Investitionen in Krankenhäusern hat sich der Gesetzgeber nur zaghaft herangetraut. Die Folge: Die "schwarze Null" bei der Verschuldung wird mit zu wenig Infrastrukturinvestitionen erkauft. Das muss sich ändern, findet Helmut Laschet.
Veröffentlicht:Der Autor ist stellv. Chefredakteur und Ressortleiter Gesundheitspolitik. Schreiben Sie ihm: helmut.laschet@ springer.com
Die gesundheitspolitische Bilanz des Jahres 2015 ist eine ganze Serie von Reformen, mit denen Medizin und Pflege auf den demografischen Wandel und seine Belastungen vorbereitet werden sollen. Wie wirksam die neuen Gesetze sind, wird sich erst in zwei bis drei Jahren erweisen.
Aber eines ist schon jetzt sicher: Die Struktur unserer Gesundheitsversorgung braucht Investitionen. Das Rückgrat der Versorgung sind qualifiziert ausgebildete Ärzte und Pflegekräfte.
Es besteht einiger Grund zur Sorge, dass das Ausmaß an erforderlichen Investitionen in den Faktor Arbeit systematisch untertrieben wird. Ein Beispiel dafür sind die 30 Millionen Euro, die das Bundesgesundheitsministerium als zusätzliche Kosten für die erweiterte Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung kalkuliert hat.
Derzeit beträgt die Fördersumme etwas mehr als 100 Millionen Euro - für etwa 2500 Vollzeitstellen. Sollen wirklich 7500 Vollzeitstellen, wie gesetzlich vorgesehen, verwirklicht werden, dann müssten mindestens 200 Millionen Euro zusätzlich für diese Qualifikationsoffensive jährlich fließen.
Personalnöte in der Pflege
In diesem Jahr steht die Reform der Pflegeberufe auf der Tagesordnung. Langfristig sind die Personalnöte in der Pflege noch größer als die in der ärztlichen Versorgung. Fehlkalkulationen hinsichtlich der notwendigen Investitionskosten wären langfristig verheerend.
Nur ganz zaghaft hat sich der Gesetzgeber an die chronische Unterfinanzierung öffentlicher Investitionen in Krankenhäusern herangetraut. Die Folge wird sein, dass der Privatisierungsprozess voranschreitet, wie Professor Frank-Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, mutmaßt.
Die Jahresabschlüsse der privaten Klinikträger zeigen, dass im gegebenen DRG-System eine Umsatzrendite (EBIT) zwischen fünf und zehn Prozent möglich ist - vorausgesetzt, das Klinikunternehmen investiert hinlänglich in moderne Produktionsstrukturen.
Es ist richtig, dass die staatliche Finanzpolitik dem Schuldenabbau Priorität eingeräumt hat. Das muss aber auch Konsequenzen haben, und zwar für den Staatskonsum, Subventionen und Steuervergünstigungen.
Im Moment, so scheint es, wird die "schwarze Null" bei der Verschuldung mit zu wenig Infrastrukturinvestitionen erkauft.
Tatsächlich ist hier mehr Mut erforderlich: durch Investitionen in Bildung, Integration, Forschung und Entwicklung sowie eine digitale Wirtschaft.