Arzneimitteltherapiesicherheit

Mit Multimedikation endlich adäquat umgehen!

Arzneimitteltherapiesicherheit hat nicht den nötigen Stellenwert – das muss sich ändern, fordern Experten.

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BERLIN. Ärzte fordern, die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) für Patienten gesetzlich festzuschreiben. Sie müsse im SGB V verankert werden, sagte Professor Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum in Saarbrücken, beim Deutschen Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie.

Patienten würden nach wie vor eindeutig nicht ausreichend vor vermeidbaren Risiken der Arzneimitteltherapie geschützt.

Der seit Oktober 2016 eingeführte bundeseinheitliche Medikamentionsplan entfaltet seine Wirkung noch nicht ausreichend. Rund 250.000 Klinikeinweisungen im Jahr gingen Erkrankungen infolge von Multimedikation zurück, schätzt die Bundesregierung. Schwindelgefühle, Stürze und Inkontinenz bei Bewohnern von Pflegeheimen sind häufig Folgen der Medikation.

Rund 700.000 Ereignisse im Jahr zählt eine Studie des Bundesgesundheitsministeriums. Im Blick waren nur Heime mit mehr als 100 Bewohnern. Grandt führt vier Gründe auf, die der Entwicklung der AMTS entgegenstehen:

  • AMTS hat nicht oberste Priorität im Gesundheitswesen. Bei Entscheidungen zur strukturellen Organisation der AMTS würden wirtschaftliche Gründe oft höher gewichtet. Es sei bekannt, dass sich die Belegungsquote in Krankenhäusern auf die Mortalität der Patienten auswirke.
  • AMTS wird nicht gemessen, zum Beispiel bei der externen Qualitätssicherung der Krankenhäuser. Nur was gemessen werde, könne man auch verbessern, so Grandt.
  • Sorglosigkeit im Umgang mit Arzneimitteln: Unerwünschte Arneimittelereignisse seien ein vergleichsweise seltenes Risiko. Daher sei der Umgang mit diesem Risiko durch Ärzte und Patienten nicht immer adäquat.
  • E-HEALTH ist auch keine Lösung. Ein unverstandenes Problem lasse sich auch durch Technik nicht lösen. Voraussetzung für ein erfolgreiches E-Health-Konzept sei ein Verständnis der Ursachen vermeidbarer Risiken und eine Vorstellung davon, wie dies praxistauglich in die reale Routineversorgung eingepasst werden könne. Bislang sei der Idealprozess an dieser Stelle nicht bekannt, sagt Grandt.

Von den Menschen mit Berechtigung für einen Medikationsplan hätten bislang erst 80 Prozent ein solches Dokument, berichtet Dr. Sybille Steiner von der KBV — 100 Prozent seien nötig. Für Ärzte sei ein elektronischer Medikationsplan besser handhabbar.

Die Variante auf Papier sei für den Austausch zwischen den Professionen wenig geeignet. Mit der elektronischen Patientenakte ab 2021 eröffne sich dafür eine zusätzliche Dimension. Steiner betonte, dass viele Patienten den Medikationsplan auf Papier auch weiterhin benötigen würden.

Das Gesundheitsministerium setzt seine E-Health-Strategie unterdessen fort. Das elektronische Rezept solle „so schnell es geht“ eingeführt werden, sagt der zuständige Abteilungsleiter Thomas Müller beim Kongress. Das BMG werde mit der Fortschreibung des E-Health-Gesetzes bis Ende 2019 Eckpunkte dafür festlegen.

Das E-Rezept solle auch im Rahmen einer telemedizinischen Behandlung ausgestellt werden können, kündigte Müller an. Das Gesundheitsministerium plant zudem, Forschung zur AMTS weiter zu fördern.

Grund: Im Jahr 2030 sind 22,3 Millionen Menschen in Deutschland älter als 65 Jahre. Die damit einhergehende Polymedikation könne zu mehr Medikationsfehlern und unerwünschten Arzneimittelereignissen führen. (af)

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