Arzneiwerbung

"Moderne Medizin" muss schweigen

In der Öffentlichkeit werben mit der "modernen Medizin" - für Arzneimittel ist das verboten, urteilte jetzt der Bundesgerichtshof im Fall eines pflanzlichen Kopfschmerzmittel.

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BGH in Karlsruhe: Keine Empfehlung der "modernen Medizin" für Arzneimittel.

BGH in Karlsruhe: Keine Empfehlung der "modernen Medizin" für Arzneimittel.

© Stockhoff / imago

KARLSRUHE (fl). Werben Arzneimittelhersteller damit, dass die "moderne Medizin" immer häufiger auf ihr Produkt setzt, ist dies ein Verstoß gegen die geltenden Werberichtlinien.

Denn nach den gesetzlichen Bestimmungen darf die Werbung außerhalb der Fachkreise für ein Arzneimittel keine Elemente enthalten, die sich auf eine Empfehlung von Gruppen oder Angehörigen von Heilberufen beziehen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem Urteil.

Konkret ging es um ein Phytotherapeutikum eines Kölner Herstellers. Die Firma hatte am 16. April 2010 in der Zeitschrift "Bild der Frau" für ihr pflanzliches Kopfschmerzmittel geworben.

In dem Werbetext wurde darauf hingewiesen, dass "die moderne Medizin" bei leichten und mittelschweren Spannungskopfschmerzen immer öfter auf das besagte pflanzliche Arzneimittel setzt.

Gegen diese Aussage klagte nun der Verband sozialer Wettbewerb mit Sitz in Berlin. Es handele sich hier um eine in der Publikumswerbung verbotene ärztliche Empfehlung.

Nach EU-Recht dürfe die Öffentlichkeitswerbung für ein Humanarzneimittel keine Elemente enthalten, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen oder auf prominente Personen bezögen, die aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen könnten.

Selbstmedikation statt Arztbesuch

Dies bestätigte nun auch der BGH. Es liege ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz vor.

Danach sei eine an die allgemeine Öffentlichkeit gerichtete Werbung unzulässig, wenn darin das Produkt von Wissenschaftlern oder anderen im Gesundheitswesen tätigen Personen empfohlen wird.

Es müsse sich dabei nicht um konkret bezeichnete Einzelpersonen oder individualisierte Personengruppen handeln. Es reiche aus, dass Angehörige von Heilberufen das Arzneimittel in der Werbung favorisieren.

Im konkreten Fall beinhalte die strittige Aussage sinngemäß, dass das Mittel von Ärzten empfohlen wird.

Mit solch einer Werbung bestehe die Gefahr, dass der Patient bei Spannungskopfschmerzen sich auf diese Empfehlung verlässt und - statt zum Arzt zu gehen - zur Selbstmedikation übergeht. Damit könnten die Interessen des Verbrauchers beeinträchtigt werden.

Dem Unternehmen sei es zudem ohne Weiteres zuzumuten, in der beanstandeten Werbung auf die angebliche Empfehlung der "modernen Medizin" zu verzichten.

Az.: I ZR 83/11

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