Digitalisierung

"Müssen wir alles, was wir können?"

Krankenhäuser mit christlichem Profil ringen um den Umgang mit neuen technischen Möglichkeiten. Einige sehen das Arzt-Patienten-Verhältnis in Gefahr.

Von Luise Poschmann Veröffentlicht:
Kommt vor lauter Technik der Mensch zu kurz? Die Sorge treibt manche Klinikmitarbeiter um.

Kommt vor lauter Technik der Mensch zu kurz? Die Sorge treibt manche Klinikmitarbeiter um.

© Billion Photos/Fotolia.com

SCHKEUDITZ. Die Digitalisierung hat das Gesundheitswesen bereits erfasst, doch wer von "Medizin 4.0" spricht, kann an unterschiedliche Szenarien denken. Der Patient stellt sich zu Hause auf die Waage und sein Gewicht wird automatisch an den Arzt übermittelt.

Oder der Chirurg setzt sich im OP eine spezielle Brille auf und kann, übergelagert auf den realen gebrochenen Fuß des Patienten, das Röntgenbild sehen. Scheinbar unendliche Chancen birgt die Entwicklung für die Medizin. Doch was bringt sie für ethische Risiken mit sich?

Dieser Frage stellten sich kürzlich Klinikmitarbeiter aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf dem 3. Kongress christlicher Krankenhäuser in Mitteldeutschland. Zu dem Treffen in Schkeuditz bei Leipzig eingeladen hatten Diakonie und Caritas.

Die Frage der Ethik ist keine neue für die christlichen Kliniken. Doch die Überlegung "Müssen wir alles, was wir können?", gerät durch die Digitalisierung in einen neuen Kontext. Es geht dabei nicht um den Einsatz neuester Medizintechnik, sondern um eine Entwicklung, die auch ohne spezielles Zutun Einzug die Klinik hält.

Arzt hat keine Wahl, ob er die Entwicklung möchte 

Der Arzt wird auf Patienten treffen, die ihm Gesundheitsdaten aus seinem Fitness-Armband präsentieren. Er hat keine Wahl mehr, ob er sich der Entwicklung stellen möchte. Was viele Mitarbeiter in Kliniken fürchten, ist eine Veränderung des Arzt-Patienten-Verhältnisses.

 Das fängt bei der Frage an, ob ein Arzt mit dem Patienten am Krankenbett genauso umgeht, wenn er ein Tablet in der Hand hält statt eine Akte auf Papier. Besonders virulent wird es dort, wo Technik Menschen ersetzen kann.

Verlässt sich der Arzt auf Daten, die ihm durch einen Sensor übermittelt werden, ohne noch einmal den Patienten zu untersuchen? Und ist es ausreichend, wenn irgendwann nur noch ein Pflegeroboter auf Bedürfnisse von Demenzkranken reagiert?

Der Vorsitzende des Arbeitskreises Ethik der sächsischen Ärztekammer, Professor Frank Oehmichen, verwies darauf, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff auch bedeutet, dass ein Mensch auf "Hilfe durch andere" oder "personelle Unterstützung" angewiesen ist.

Was passiert mit den Datenmengen?

Das bedeute im Umkehrschluss: "Solange es technische Unterstützung gibt, die dir Selbstständigkeit gibt, musst du sie akzeptieren", so der Kardiologe. Wenn der Patient die Technik nicht annehme, sei das sein Problem. Die heikelste Frage bleibt aber, was mit den Datenmengen passiert, die generiert werden.

Schon bei der digitalen Akte spielt Datenschutz eine Rolle, besonders kompliziert wird es aber, wenn Informationen zusammengeführt werden, sich daraus Muster ergeben oder über Prävention gesprochen wird.

Dr. Markus Müschenich, Vorstand des Bundesverbandes Internetmedizin, erläuterte die Möglichkeiten moderner Analyseverfahren, die genaue Risiken offenbaren. Doch was passiert, wenn jemand trotz bekannten Risikos zunimmt?

"Wir werden Menschen haben, die sagen: Du bist schuld, dass du krank bist, deshalb hast du in der GKV nichts zu suchen", sagte er. Es sei wichtig, sich mit "ethischem Grundgerüst" früh über solche Fragen Gedanken zu machen. Denn die Medizin in der digitalisierten Welt drifte immer weiter weg von jenen, die in diesem Sinne Profis seien.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Welchen Spielraum es gibt

Patienten rechtssicher ablehnen: So geht’s

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Dr. med. Gerhard M. Sontheimer (ANregiomed, Region Ansbach) und Holger Baumann (Kliniken der Stadt Köln, v.l.) haben in der Praxis gute Erfahrungen mit Systempartnerschaften gemacht.

© Philips

Mehr Spielraum für moderne Prozesse in der Klinik

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Philips GmbH Market DACH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau

An Embolie und Dissektion denken!

Junge Frauen mit Herzinfarkt: Oft ist es keine Atherosklerose

Kasuistik

Trichodysplasia spinulosa: Die Säure hat geholfen

Lesetipps
Ein Arzt als Comicfigur zeigt mit der rechten Hand den Weg hinaus.

© JPbodyparts / stock.adobe.com

Welchen Spielraum es gibt

Patienten rechtssicher ablehnen: So geht’s

Ein älterer Mann mit Sauerstoffschlauch.

© Christian Bunge / stock.adobe.com

Geriatrische Syndrome

COPD bei älteren Patienten – darauf sollten Sie achten