Neues Hersteller-Gutachten befeuert Streit um Kartellrecht für Krankenkassen

Die Regierung will Krankenkassen in weiten Teilen dem Kartellrecht unterwerfen. Eine Expertise im Auftrag der Industrie unterstützt diesen Schritt.

Veröffentlicht:
Experten streiten darüber, ob das Kartellrecht auf Krankenkassen übertragen werden kann.

Experten streiten darüber, ob das Kartellrecht auf Krankenkassen übertragen werden kann.

© Andrea Riva /fotolia.com

BERLIN/DÜSSELDORF (fst). Im Streit um die geplante Ausweitung des Kartellrechts auf die gesetzlichen Krankenkassen gibt die forschende Pharmaindustrie der Bundesregierung Rückendeckung. In einem Rechtsgutachten der Kanzlei Clifford Chance im Auftrag des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) heißt es, durch die im Arzneimittel-Neuordnungsgesetz (AMNOG) geplante Änderung ergebe sich kein "Zielkonflikt mit den Regelungen des Sozialrechts". Auch sei es mit europäischem Wettbewerbsrecht vereinbar, wenn EU-Mitgliedsstaaten "im Rahmen solidarisch verfasster Gesundheitssysteme einen begrenzten Wettbewerbsschutz etablieren".

Damit widerspricht die Expertise den Einschätzungen eines Rechtsgutachtens, das im Juli vom AOK-Bundesverband vorgestellt worden war. Darin hat der Kartellrechtler Professor Rainer Bechtold vor "schwerwiegenden Folgen" für das GKV-System gewarnt, wenn das Kartellrecht auf die Kassen übertragen würde. Die Regierung will das Kartellrecht künftig als Ordnungsrahmen bei Verträgen zwischen Kassen und Leistungserbringern gelten lassen. Bisher gilt für AOK, Barmer und Co. nur das europäische Vergaberecht, etwa bei Rabattverträgen. Gegen das Vorhaben der Koalition regt sich Widerstand in der CSU und bei Sozialrechtsexperten. Dr. Ernst Hauck, Richter beim für die Kassen zuständigen ersten Senat des Bundessozialgerichts, hat im "Handelsblatt" vor der Zersplitterung des Sozialrechts gewarnt, die neue Rechtsunsicherheiten nach sich ziehen werde.

Für die CSU forderte Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer, den Passus im AMNOG bei den Beratungen zu überprüfen. Er fürchtet, dass das Wettbewerbsrecht von der EU-Kommission als Einfallstor genutzt werden könnte, um auch in das Leistungsrecht der GKV einzugreifen. Dieselbe Sorge hat auch BSG-Richter Hauck geäußert. Das Gutachten von Clifford Chance hält dies für unbegründet, weil die EU-Kommission dafür keine Zuständigkeit habe.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Ist das AMNOG bereit für HIV-Innovationen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Arzneiforschung: Von Innovationen profitieren nicht nur Patienten, sondern immer auch die Gesellschaft als Ganzes.

© HockleyMedia24 / peopleimages.com / stock.adobe.com

Nutzenbewertung

Arznei-Innovationen: Investition mit doppeltem Nutzen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Update der Studie EPIsoDE

Psilocybin hält therapieresistente Depressionen ein Jahr lang in Schach

Lesetipps
Warnschild Grippewelle

© nmann77 / stock.adobe.com

ARE in Grafiken

RKI: Grippewelle deutet sich an

Fünf Menschen im Wartezimmer.

© Tyler Olson / stock.adobe.com

Einteilung in fünf Gruppen

Diabetes: Risiken für Komorbiditäten vom Subtyp abhängig

Im Krankenhaus wird der Patient unter Aufsicht eines Radiologen einer CT-Untersuchung unterzogen.

© Valerii Apetroaiei / stock.adobe.com

Vereinfachter Diagnose-Algorithmus

Lungenembolie mit weniger Bildgebung sicher ausschließen