Gesundheitspolitik der EU

Nichts zu melden, aber viel zu tun?

Die Gesundheitssysteme sind in nationaler Verantwortung. Doch die EU steht längst nicht mehr nur am Spielfeldrand.

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Die EU mischt auch in der Gesundheitspolitik mit.

Die EU mischt auch in der Gesundheitspolitik mit.

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BRÜSSEL. Es sind Zahlen wie diese, die die EU-Kommission alarmieren: Nach Erhebungen beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung einer Frau in Rumänien 79,1 Jahre, in Deutschland liegt sie dagegen bei 83,5 Jahren (Zahlen für 2016).

„Gravierende Ungleichheiten in der gesundheitlichen Versorgung und ungünstige soziale Faktoren“, heißt es im letzten Bericht der Gemeinschaft zu diesem Thema aus dem Jahre 2013, „müssen beseitigt werden“. Doch solche vollmundigen Versprechungen sind leichter geschrieben als umgesetzt, wenn diese Union für Gesundheitsfragen keine Zuständigkeiten hat.

Von Lebensmittel- zur Arzneimittelsicherheit

Der bisherige Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis hat trotzdem alle Hände voll zu tun: Lebensmittelsicherheit gehört ebenso zu seinem Ressort wie die Versorgung mit Arzneimitteln. Doch das wichtigste Instrument, mit dem die Union arbeiten kann, ist die Prävention. In einer Art Tätigkeitsbericht des Teams rund um Präsident Jean-Claude Juncker werden Prophylaxe-Maßnahmen zusammengetragen:

  • Die Strategie gegen Tabakkonsum, die letztlich für ein weitgehendes Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen gesorgt hat.
  • Der Kampf gegen Alkoholmissbrauch gehört ebenso dazu wie Programme gegen Adipositas. Doch viel mehr, als die Hersteller über den Umweg der Lebensmittelkennzeichnung zur Offenlegung von Zuckerzusätzen zu zwingen sowie Marketing-Strategen wissenschaftlich nicht belegte Werbeaussagen zu verbieten, bleibt Brüssel bisher nicht.

In der neuen Legislaturperiode aber will die Union direkter für mehr Gesundheit der rund 500 Millionen EU-Bürger sorgen. Dazu haben vor allem Forschungspolitiker einen neuen Schwerpunkt ausgemacht: den Kampf gegen Krebs. Zwar warnen Onkologen vor voreiligen Versprechungen, doch die Zusage steht im Raum: In zehn Jahren soll kein Kind in der EU mehr an Krebs sterben.

Mit etlichen Milliarden will Brüssel die Forschung unterstützen und für Anwendungsmöglichkeiten der Ergebnisse im klinischen Alltag sorgen. Doch der christdemokratische Spitzenkandidat Manfred Weber wurde schon gewarnt: Geld und Therapie sind nicht alles. Es geht gerade beim Kampf gegen den Krebs immer auch um eine Frage der Lebensführung. Der Kreis zur Prävention schließt sich. Hier möchte die EU ansetzen.

Grenzüberschreitende Versorgung im Fokus

Aber die Gemeinschaft hat sich für den Gesundheitsbereich weitere Themen auf die Fahnen geschrieben. Neben der Digitalisierung will man sich die grenzüberschreitende ärztliche Versorgung vornehmen. Derzeit läuft ein Pilotprojekt im spanisch-portugiesischen Grenzraum, wo sich Versicherungen, Ärzteverbände und niedergelassene Ärzte zusammengetan haben, damit der spanische Kollege im Notfall auch in der portugiesischen Nachbarschaft aushelfen kann – und trotzdem an sein Geld kommt.

Außerdem hat die EU den Kampf gegen zunehmende Antibiotika-Resistenzen zu einem Schwerpunkt auserkoren. „Dazu“, so heißt es in Brüssel, „brauchen wir keine Zuständigkeit für Gesundheitspolitik im medizinischen Sinne. Arbeitsschutz, Binnenmarkt, soziale Sicherheit – all das gibt uns genügend Ansatzpunkte, um etwas zu erreichen, was die Mitgliedstaaten dann vertiefen.“

Für Ärzte und Patienten heißt das: Der einheitliche Binnenmarkt für Gesundheitsdienstleistungen wird wachsen – inwieweit sie davon tatsächlich profitieren, ist noch nicht ausgemacht. (ded)

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