Für viele ist im Beruf nach rund sieben Jahren Schluss

Notfallsanitäter – ein stark gefragter Engpassberuf

Die Zahl der Beschäftigten im Rettungsdienst hat sich innerhalb von zehn Jahren stark erhöht, die Ausbildung ist für viele attraktiv. Dennoch wird von Engpassberufen gesprochen. Woran liegt das?

Veröffentlicht:
Hendrik Felsmann (r) und David Klett, Notfallsanitäter in Ausbildung, versorgen bei einer Übung in der RettArena des Malteser Hilfsdienstes in Nellinghof eine Puppe, die einen bei einem Verkehrsunfall verletzten Menschen darstellt.

Hendrik Felsmann (r) und David Klett, Notfallsanitäter in Ausbildung, versorgen bei einer Übung in der RettArena des Malteser Hilfsdienstes in Nellinghof eine Puppe, die einen bei einem Verkehrsunfall verletzten Menschen darstellt.

© Focke Strangmann/dpa

Neuenkirchen-Vörden. Hendrik Felsmann und David Klett sitzen in einem Rettungswagen, sie haben die Nachricht über einen Verkehrsunfall erhalten: Eine schwer verletzte Person ist nicht ansprechbar, die Lunge ist kollabiert. Die gestellte Einsatzszenerie ist eine von mehreren an diesem Tag für die Notfallsanitäter im dritten Ausbildungsjahr. Felsmann zerschneidet den Pullover der lebensechten Übungspuppe, Klett setzt eine Nadel in die Brust. „Die überflüssige Luft muss nach draußen aus dem Körper entweichen“, sagt Felsmann später.

Ihr Rettungswagen steht in der „Rettarena“ auf dem Schulungsgelände des Malteser-Hilfsdienstes. Der Verkehrsunfall ist in der Halle in Neuenkirchen-Vörden (Landkreis Vechta) realitätsnah mit einem Auto aufgebaut. In der 2007 errichteten „Rettarena“ können bis zu 75 Lagen trainiert werden, vom Dachdeckerunfall bis zum Grillunfall im Schrebergarten.

Viel mehr Bewerber als Ausbildungsplätze

Während Felsmann und Klett den Einsatz an der Puppe proben, sitzt Schulungsleiter Frank Scheinichen im Kontrollraum und verfolgt die Videoübertragung am Bildschirm. „Früher haben wir in einem Seminarraum mit vier Stühlen ein Auto nachgestellt. Jetzt kann eine Person aus einem echten Auto gerettet werden“, sagt Scheinichen. Auch andere Rettungsdienste wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Johanniter in Hannover haben solche Trainingsanlagen.

Die Ausbildung zum Notfallsanitäter oder zur Notfallsanitäterin liegt hoch im Kurs: „Wir haben teilweise bis zu 80 Bewerber für fünf Ausbildungsplätze“, sagt Scheinichen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nahm die Zahl der hauptamtlich im Rettungsdienst Beschäftigten innerhalb von zehn Jahren bis 2021 um 71 Prozent zu. In der Stadt Bremen stieg die Zahl im selben Zeitraum um 64 Prozent.

„Es ist einer der tollsten Jobs, die man machen kann, wenn man Menschen helfen möchte“, betont Hendrik Felsmann, der zuvor in einer Bank tätig war. Der 39-Jährige hatte erst ehrenamtlich, dann hauptberuflich als Rettungssanitäter gearbeitet. Notfallsanitäter haben die höchste nichtärztliche Qualifikation im Rettungsdienst, die Ausbildung dauert drei Jahre. Rettungssanitäter benötigen eine 13-wöchige Qualifikation. Beide Berufe bilden ein Team im Rettungswagen.

Verweildauer im Beruf ist nicht lang

Trotz der starken Zunahme stuft die Bundesagentur für Arbeit Rettungsberufe weiterhin als sogenannte Engpassberufe ein. „Das Problem ist, dass die Verweildauer im Beruf nicht lange ist“, sagt Scheinichen. „Viele gehen nach etwa sieben Jahren.“ Grund seien die hohen körperlichen und psychischen Belastungen im Arbeitsalltag, betont Annette Klausing vom Verdi-Landesbezirk Niedersachsen/Bremen. Die Einsatzzahlen steigen, und wegen des Schichtdienstes leiden viele irgendwann an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden“, sagt die Gewerkschaftssekretärin.

Dafür bräuchte es kürzere Arbeitszeiten. Wegen der Bereitschaftszeiten lägen die Wochenarbeitszeiten teilweise bei bis zu 48 Stunden. „Bereitschaft ist keine Erholungszeit, man ist immer in Erwartung, dass es sofort losgeht“, so Klausing. Für Dienstag rief Verdi bundesweit zu Protestkundgebungen unter dem Motto „Lebensretter in Not“ gegen überlange Arbeitszeiten auf. Wer nicht aus dem Beruf abwandere, versuche häufig das Problem durch Teilzeit abzumildern, sagte Klausing. „Die Folge ist, dass Rettungswachen ihre Fahrzeuge nicht mit Personal besetzen können“, sagt Scheinichen.

Innenministerium verweist auf kommunale Trägerorganisationen

Im Land Bremen sind nach Angaben des Innenressorts zurzeit im Rettungsdienst keine Stellen unbesetzt. Aber wegen der hohen Fluktuation bedürfe es großer Anstrengungen, laufend genügend Personal zu gewinnen und zu halten, teilte das Innenressort mit. Zurzeit werde eine Initiative geprüft, um die Lebensarbeitszeit herabsetzen zu können. Das niedersächsische Innenministerium verweist auf die kommunalen Träger und Hilfsorganisationen, die für die ausreichende Vorhaltung, Ausbildung und Einstellung des Personals im Rettungsdienst verantwortlich seien. Es lägen keine Erkenntnisse zu den jeweiligen Personalbedarfen vor, heißt es aus dem Ministerium.

Der Gewerkschaft Verdi aber ist klar: „Es fehlen Fachkräfte.“ Und solange die Strukturen nicht verbessert würden, müssten zunächst mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden, sagt Klausing. Über die Anzahl entscheiden aber nicht die Rettungsdienste, sondern die Krankenkassen, die die Finanzierung übernehmen.

Die beiden Auszubildenden Hendrik Felsmann und David Klett stehen kurz vor ihren Abschlussprüfungen. Felsmann hat sich die Wahl seines Berufes gut überlegt, es ist immerhin sein zweiter: „Man muss zwar definitiv belastbar sein und stets einen kühlen Kopf bewahren, weil jede Entscheidung, die man trifft, eine Konsequenz hat. Aber dafür ist der Beruf vielseitig und spannend.“ (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Angepasste Endpunkte, moderne Studiendesigns und ungelöste Herausforderungen

© metamorworks / Getty Images / iStock

Krebsmedizin auf neuen Wegen

Angepasste Endpunkte, moderne Studiendesigns und ungelöste Herausforderungen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Pfizer Pharma GmbH, Berlin
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Vermögensforscher im Interview

Welche Eigenschaften helfen, reich zu werden

Review mit Metaanalyse

Invasive Pneumokokken-Infektionen: Wer besonders gefährdet ist

Lesetipps
Eine Kaffeetasse und ein Hörnchen.

© hana creative studio / Generated

Chronobiologisch sinnvoll

Deshalb gehören Glukokortikoide in die Morgenmedikation

Ein Arzt untersucht das Knie eines Patienten.

© gilaxia / Getty Images / iStock

Kniegelenk

Neue Gonarthrose-Leitlinie setzt mehr auf Eigeninitiative

Collage von Bildern

© Frau: nenetus / stock.adobe.com | Rücken links: Dr. P. Marazzi / Science Photo Library | Arm: ZOKO / stock.adobe.com | Rücken rechts: Eva Valesky (2) | HG: Phokin / stock.adobe.com

Falsches Label?

Verdacht auf Betalaktam-Allergie: Was tun, wenn die Patientin ein Antibiotikum braucht?