GKV-Finanzierung

Nur eine Klippe für die Jamaika-Kapitäne

Schwarz, grün, gelb: Wie soll das gehen in der Gesundheitspolitik? Diese Frage stellt sich spätestens, seit in dieser Woche die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition begonnen haben.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Festbeleuchtung in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin, Ort der ersten Treffen von „Jamaika“. Durch das Fenster zu erkennen: Kanzleramtschef Peter Altmaier (r. ), Grünen-Vorsitzende Simone Peter und ihr schräg gegenüber im grünen Blazer Kanzlerin Angela Merkel.

Festbeleuchtung in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin, Ort der ersten Treffen von „Jamaika“. Durch das Fenster zu erkennen: Kanzleramtschef Peter Altmaier (r. ), Grünen-Vorsitzende Simone Peter und ihr schräg gegenüber im grünen Blazer Kanzlerin Angela Merkel.

© Michael Kappeler/dpa

BERLIN. Seit Mittwoch sondieren sie. CDU, CSU, FDP und Grüne haben sich auf die Suche nach Gemeinsamkeiten begeben. Wo und ob sie sie finden werden, liegt noch im politisch Ungefähren. Wie in einem Brennglas bündeln sich die – programmatischen – Unvereinbarkeiten beim Thema GKV-Finanzierung: Die Grünen sprechen sich für eine Bürgerversicherung aus, Union und FDP wollen an dem Nebeneinander von GKV und PKV festhalten.

Diese Konstellation ist nicht neu –  im Gegenteil. Vor zwölf Jahren saßen sich CDU/CSU und SPD nach einem stark polarisierenden Wahlkampf unvermittelt am Verhandlungstisch gegenüber. Kanzler Gerhard Schröder war knapp der damaligen Oppositionsführerin Angela Merkel unterlegen. Die war geschwächt, weil sie mit ihrem Reformprogramm ("Deutschland fair ändern") nur 35,2 Prozent der Stimmen eingefahren hatte. Beide Volksparteien standen sich mit ihren Reformkonzepten – Gesundheitsprämie versus Bürgerversicherung – unversöhnlich gegenüber. Eine Blockade in der Gesundheitspolitik schien unausweichlich.

Herausforderungen wie anno 2005

Da wurde über den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium ein Aufsatz des Dortmunder Finanzwissenschaftlers Wolfram F. Richter in die Verhandlungen getragen. Unversehens wurde Richter zum geistigen Vater des Gesundheitsfonds, der zunächst noch als "Inkassostelle" oder "Sonderhaushalt GKV" bezeichnet wurde: Die Kassen ziehen die Sozialversicherungsbeiträge ein und übertragen sie an den Gesundheitsfonds. Von dort erhalten sie dann Zuweisungen, mit denen sie Ausgaben für die Versorgung ihrer Versicherten sowie ihre Verwaltungskosten finanzieren müssen. Ein Modell war geboren, das als Startrampe sowohl für ein Kopfpauschalen-Modell wie für eine Bürgerversicherung dienen konnte.

Die potenziellen Jamaika-Partner stehen vor der Herausforderung, ähnlich wie anno 2005 einen Konsens zu zimmern, der jedem der drei, genauer vier Parteien erlaubt, das Gesicht zu wahren. Die FDP ist bereits mit ersten Lockerungsübungen gestartet. FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann ließ erkennen, dass die Liberalen einer Rückkehr zur paritätischen Finanzierung zustimmen könnten. Es sei richtig, dass sich Arbeitgeber und -nehmer auch an den wachsenden Kosten gemeinsam beteiligten, so die FDP-Politikerin.

Ob alleine die Wiedereinführung der Parität für einen Jamaika-Frieden reicht, ist ungewiss. Denn auch in der Union macht sich Unbehagen beim derzeitigen Modell der Zusatzbeiträge breit. In einem offiziell nie veröffentlichten Papier des CDU-Bundesfachausschusses Gesundheit und Pflege aus dem Frühjahr heißt es, die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen werde sich wieder öffnen, doch der Zusatzbeitrag könne nicht "ins Unendliche steigen". Die CDU-Gesundheitspolitiker schlagen vor, beim Zusatzbeitrag einen Deckel zu definieren. GKV-Steuerzuschuss und der Arbeitnehmer-Obolus zusammen sollten 40 Milliarden Euro nicht übersteigen. "Spätestens dann" seien auch Arbeitgeber wieder an den Ausgabensteigerungen zu beteiligen. Nichts davon hat Eingang in das fade Wahlprogramm der Union ("Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben") gefunden.

Grün-bayerische Gemeinsamkeiten

Die FDP indes dürfte mit jedem Versuch, solidarische Elemente der GKV-Finanzierung aufzuweichen, auf eine seltsame Gegenkoalition am Verhandlungstisch treffen: Grüne und die CSU. In ihrem markigen "Bayernplan" heißt es: "Die CSU lehnt ein System ab, bei dem jeder unabhängig vom Einkommen gleich viel zahlen muss." Die Christsozialen träten für eine "vielgestaltige Versicherungslandschaft" ein. Zur Erinnerung: Im November 2004 war Horst Seehofer im Streit um die Kopfpauschale von seinem Posten als Unionsfraktionsvize zurückgetreten.

Kommt das Einheitshonorar?

Der kleinste gemeinsame Nenner könnte in der politischen Seitwärtsbewegung zu finden sein: GKV und PKV koexistieren weiter, aber unter veränderten Spielregeln. Anregungen dazu kommen auch aus der CDU, namentlich vom Gesundheitsexperten Michael Hennrich. Er plädiert für eine einheitliche ärztliche Gebührenordnung in gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Sichergestellt werden müsste, dass nicht weniger Geld als bisher in die ambulante Versorgung fließt, betont Hennrich. Er wolle den Systemwettbewerb erhalten, sieht die Union beim Thema Zweiklassen-Medizin argumentativ aber in einer ständigen Defensive. Hennrichs Vorschlag hätte weitreichende Konsequenzen und böte den potenziellen Koalitionären Stoff für eine ganze Legislatur – wenn es denn so weit kommt.

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