Hessische Ärzte im Ausland

Nur wenige bleiben für immer

Die Landesärztekammer Hessen gibt Entwarnung: Eine kontinuierliche Abwanderung von Ärzten ist einer Zehn-Jahres-Analyse zufolge nicht festzustellen. Aber: Gerade junge Ärzte wollen die Station im Lebenslauf oft nicht missen.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Nach einer Zeit im Ausland kommen vor allem qualifizierte Fachkräfte oftmals wieder nach Deutschland zurück. Zu diesem Schluss kommt eine Zehn-Jahres-Analyse der Landesärztekammer (LÄK) Hessen.

Die Studienautoren um Liina Baumann widerlegen - zumindest für das Bundesland - damit die Befürchtung, der Ärztemangel werde durch eine kontinuierliche Abwanderung von Medizinern verstärkt.

Diese hatte die LÄK Hessen 2005 kommen sehen, als 189 Ärzte ein sogenanntes "Certificate of Good Standing" beantragten. Diese Unbedenklichkeitsbescheinigung benötigen Ärzte oftmals für eine Tätigkeit im Ausland.

Im Vergleich zu den Vorjahren - noch 2000 waren es lediglich 19 Anträge auf ein solches Zertifikat - war dies ein neuer Höhepunkt. Die Stabsstelle Qualitätssicherung der LÄK Hessen begann daher, systematisch Umfang, Dauer und Motivation der Auslandsaufenthalte zu erfragen.

59 Ärzte gingen 2014, 234 kamen

Das aktuellste Ergebnis: Im Jahr 2014 haben sich lediglich 59 Mitglieder der LÄK Hessen abgemeldet, um einer Tätigkeit im Ausland nachzugehen, während 234 Ärzte aus dem Ausland zugewandert waren.

Fast jeder zweite der insgesamt 1477 Ärzte, die seit 2005 ein Certificate beantragt haben, hat den zweiseitigen Fragebogen, der der Bescheinigung seither beiliegt, ausgefüllt. Drei Viertel von ihnen sind jünger als 50 Jahre gewesen, als sie sich für den Schritt ins Ausland entschieden haben.

Die Motivation ist höchst unterschiedlich - und hat sich im Laufe der Jahre gewandelt, wie die Analyse zeigt: Während im Befragungszeitraum 2005 bis-2007 noch 60 Prozent der Befragten auf eine bessere Bezahlung und fast 70 Prozent auf bessere Arbeitsbedingungen hofften, liegen die Gründe heute (Befragungszeitraum 2012 bis 2014) eher im neuen, als interessant wahrgenommenen Arbeitsgebiet (43 Prozent) oder karitativen oder familiären Gründen (41 Prozent).

Auf eine bessere Bezahlung hoffen nur noch 22 Prozent, acht Prozent gehen wegen zusätzlicher Einnahmen. Auch das waren 2005-2007 noch fast viermal so viele (30 Prozent).

In den präferierten Ländern spiegeln sich diese Trends zum Teil wieder: So gingen seit 2012 rund 19 Prozent der Befragten in Länder der Dritten Welt, zu Beginn der Befragung waren das nur sieben Prozent.

An Beliebtheit gewonnen hat auch die Schweiz (20 Prozent, vorher drei Prozent), während Großbritannien - womöglich auch wegen der Probleme im Gesundheitssystem - an Sympathie eingebüßt hat. Wollte 2005-2007 noch jeder dritte Mediziner auf die Insel, waren es jüngst nur elf Prozent.

Verändert hat sich im Laufe der Befragung auch die Dauer des Abschieds. 40 Prozent der Antwortenden beabsichtigte in den Jahren 2012-2014 einen einmaligen Kurzaufenthalt - etwa im Rahmen einer Kooperation - oder einer Auslandstätigkeit von bis zu einem Jahr.

Nur ein Drittel plante, unbefristet zu bleiben. 2005-2007 noch wollte der Großteil dauerhaft fernbleiben, nur 12 Prozent planten eine Tätigkeit von unter einem Jahr.

Vorsicht vor zu viel Zuversicht

Die befürchtete kontinuierliche Abwanderung habe sich bis Ende 2014 nicht bestätigt, schlussfolgern die Studienautoren.

Insgesamt habe die Ausstellung der Zertifikate in den vergangenen 15 Jahren immer wieder phasenweise zugenommen, ein dauerhafter Trend sei nicht zu erkennen.

Trotzdem warnen sie vor zu viel Zuversicht: "Es bleibt offen, in welchem Umfang die Zahlen auch eine Folge geänderter Anforderungen der Zielländer sind", gibt Studienautorin Baumann gegenüber der "Ärzte Zeitung" zu bedenken.

Auch müsse davon ausgegangen werden, dass nicht alle Auslandsaufenthalte - vor allem kurzzeitige - der Kammer gemeldet werden. Die Befragung, so Baumann, werde auch in Zukunft fortgesetzt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Heimat muss attraktiv sein

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