Griechenland

Ohne Ärzte im Ehrenamt geht nichts

Die Krise hat in Griechenlands Gesundheitssystem Spuren hinterlassen. Tsipras‘ Regierung kündigte Reformen an – doch die erhoffte Besserung blieb bisher aus. Sozialkliniken bleiben damit ein wichtiger Pfeiler der Versorgung.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Auch das Ultraschallgerät ist eine Spende aus Hamburg: Christos Sideris in der Sozialklinik Elliniko im gleichnamigen Athener Stadtteil.

Auch das Ultraschallgerät ist eine Spende aus Hamburg: Christos Sideris in der Sozialklinik Elliniko im gleichnamigen Athener Stadtteil.

© Jana Kötter

ATHEN. Die sozialen Praxen und Kliniken, die Unversicherten kostenfrei Zugang zu medizinischer Versorgung gewähren, bleiben das "Rückgrat der medizinischen Versorgung" in Griechenland. Das beobachtet Hinrich Stechmann vom "Freundeskreis Elliniko", der die gleichnamige Sozialklinik in Athen unterstützt. "Trotz aller vollmundiger Ankündigungen der Regierung von Alexis Tsipras gibt es weiter eklatante Mängel in der Versorgung", kritisiert er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Ministerpräsident Tsipras hatte nach der Wahl angekündigt, auch Unversicherten den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem zu ermöglichen (die "Ärzte Zeitung" berichtete). Schätzungsweise drei Millionen Griechen – und damit fast jeder Vierte – hat heute keine Krankenversicherung mehr.

Sozialkliniken waren für die, die etwa aufgrund lang anhaltender Arbeitslosigkeit aus der Einheitsversicherung EOPYY ausgeschieden sind, bisher die einzige Anlaufstelle: Über 40 solcher Solidaritätskliniken gibt es heute in Griechenland, zwölf allein im Großraum Athen.

Strukturen seit Jahren überlastet

Im Athener Stadtteil Elliniko ist die Patientenzahl im vergangenen Jahr aufgrund der ersten Reformen Tsipras‘ zwar deutlich zurückgegangen – von 35.000 im Jahr 2014 auf 11.000 in 2015. Gelöst ist das Problem laut Christos Sideris aber noch nicht: "Weil die Unversicherten nur Zugang zu den staatlichen Strukturen haben und die Wartezeiten einfach zu lang sind, kommen doch wieder viele zu uns in die Sozialkliniken", erklärt der Mitgründer der Sozialklinik Elliniko.

Die staatlichen Kliniken sind seit Jahren überlastet; niedergelassene Ärzte behandeln meist nur noch gegen Bargeld. Da sich bereits in den vergangenen zwei Jahren mehr als 50 Prozent der Ärzte aus dem staatlichen EOPYY-System zurückgezogen hätten und es als wahrscheinlich gilt, dass kommendes Jahr weitere Mediziner aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen die öffentliche Primärversorgung verlassen werden, sieht Sideris düstere Zeiten statt der erhofften und angekündigten Besserung.

Die Arbeitsbedingungen für Ärzte seien nach wie vor "katastrophal", beobachtet auch Dr. Kiriakos Giokoglu, Vorstandsvorsitzender des Vereins Griechischer Akademiker Frankfurt am Main. "Von dem derzeitigen Gehalt kann – sofern es überhaupt ausgezahlt wird – niemand in Athen seinen Lebensunterhalt finanzieren", zitiert die Landesärztekammer Hessen den griechischstämmigen Mediziner aktuell. Ein Assistenzarzt verdiene 1007 Euro brutto im Monat.

Zwei Benefizabende

In Hamburg findet am 15. Dezember 2016, 19.30 Uhr, im Völkerkundemuseum die Lesung mit Linda Zervakis statt. Sie liest aus ihrem Buch „Königin der bunten Tüte“. Karten kosten 15 Euro. Weitere Infos: www.elliniko-friends.eu

In Frankfurt lädt der Verein Griechischer Akademiker zum Konzert für krebskranke Kinder am 2. Dezember, 20 Uhr, in der Alten Oper. Schirmherr ist der hessische Ärztekammerpräsident Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach. Tickets für 35,45 Euro oder 60 Euro gibt es unter www.frankfurtticket.de

"Wir entfernen uns derzeit permanent von einer optimalen medizinischen Versorgung", befürchtet Giokoglu. Für die ehrenamtlich tätigen Kollegen spricht er voller Bewunderung: "Neben ihrem regulären Job – in dem sie weit mehr als acht Stunden täglich arbeiten – unterstützen sie freiwillig und ehrenamtlich soziale Einrichtungen." Das gehe jedoch auch an Ärzten nicht spurlos vorbei.

Engagement mit Preis ausgezeichnet

In der Sozialklinik Elliniko engagieren sich mittlerweile rund 300 ehrenamtliche Helfer, die Hälfte von ihnen sind Ärzte und Apotheke. Für sein Engagement hat Sideris' Freund und Mitgründer der Klinik, Dr. Giorgos Vichas, jüngst wie berichtet den internationalen Preis für medizinische Friedensarbeit der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) erhalten.

Der "Freundeskreis Elliniko" aus Hamburg unterstützt neben der Sozialklinik mittlerweile auch staatliche Kliniken, "die durch die Kürzungspolitik nicht mal mehr dringend notwendige Dinge vorrätig haben", erklärt Stechmann. So spende der Verein Fieberthermometer, Arzneien sowie medizinische Geräte.

Im Dezember organisiert er darüber hinaus eine Lesung mit der deutsch-griechischen Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis – zugunsten sozialer Arztpraxen und Hilfszentren in Griechenland.

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