Palliativnetz bündelt Kompetenzen

STUTTGART (mm). Um die Versorgung von sterbenskranken Menschen in ihrer häuslichen Umgebung zu ermöglichen, haben Haus- und Fachärzte in Stuttgart einen neuen Verein gegründet. Palliativmedizin Stuttgart e.V. heißt die Einrichtung der Ärzteschaft Stuttgart.

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"Es ist wichtig, dass gerade bei der Versorgung Sterbender alle Beteiligten eng zusammenarbeiten. In der schwierigsten Zeit des Lebens eines Menschen müssen Versorgungsgrenzen überwunden und Kompetenzen gebündelt werden. Alle beteiligten Berufsgruppen sollten kooperieren", sagt die Vorsitzende des Vereins Hausärztin Dr. Anna Maria Haupert aus Stuttgart.

Hausärzte sollten die Versorgung koordinieren

Es komme darauf an, ambulante und stationäre Einrichtungen zu vernetzen und ärztliche, pflegerische, psychosoziale und seelsorgerische Betreuung, Behandlung und Begleitung aufeinander abzustimmen, sagt Dr. Markus Klett, Gründungsmitglied des Vereins. Es sei dabei Aufgabe des Hausarztes, die Versorgung der Patienten zu koordinieren. Diese sollten mit erfahrenen ambulanten Palliativpflege- und Grundpflegediensten, stationären Hospizen und Palliativstationen sowie spezialisierten Psychologen und Sozialarbeitern zusammenarbeiten.

"Es war wichtig, dass wir einen Verein gegründet haben, denn nur in dieser juristischen Form sind wir ermächtigt, auch Verträge zu schließen und unser Konzept umzusetzen", sagt Haupert.

Initiatoren sehen das Netz als Vorbild für den Südwesten.

Die palliativmedizinische Versorgung solle langfristig fester Bestandteil der Regelversorgung werden. Hierzu würden Verträge mit den Krankenkassen in Ergänzung zur hausarztzentrierten Versorgung angestrebt, so die Stuttgarter Hausärztin. Damit unterstützt die Initiative die Absicht des Gesetzgebers, die palliativmedizinische Versorgung zu stärken.

Rund 130 Tumorpatienten und etwa 100 Nicht-Tumorpatienten würden pro Jahr in der Landeshauptstadt Stuttgart palliativmedizinisch zuhause versorgt werden müssen, schätzt man bei Vertretern des neuen Netzes. Bezogen auf ganz Baden-Württemberg handele es sich vermutlich um etwa 5200 Tumorpatienten und 4000 Nicht-Tumor-Patienten.

Bislang fehlt die Vernetzung palliativmedizinischer Dienste

Bislang sei das ambulante Angebot noch zu wenig an den Bedürfnissen von Schwerstkranken ausgerichtet. Es fehle an einer Vernetzung ambulanter und stationärer palliativmedizinischer Einrichtungen und Dienste. Sowohl aus der Region der KV Nordrhein als auch aus Berlin kennt man ähnliche Netze wie in Stuttgart. Seit 1994 besteht beispielsweise bereits das Home-Care-Modell, das es Krebskranken und AIDS-Patienten ermöglicht, in der letzten Lebensphase in vertrauter Umgebung zu sterben. Diese Modellprojekte hätten gezeigt, so Haupert, dass durch eine Vernetzung von Ärzten und Pflegern schwerkranke und sterbende Patienten länger in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Bis zu 70 Prozent der Patienten werde so ein Sterben zu Hause oder in gewohnter Umgebung ermöglicht.

Das in Stuttgart aufzubauende Palliativnetz könne ein Modell für die Versorgung in Baden-Württemberg sein. "Wir haben bereits Nachfragen von baden-württembergischen Kollegen, die interessiert sind, in ihren Städten ähnliche Netze zu errichten", erklärt Haupert. Voraussetzung für Haus- und Fachärzte im Netz ist, dass sie eine 40-stündige Kursweiterbildung Palliativmedizin (Curriculum der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und Bundesärztekammer) für die palliativmedizinische Grundversorgung absolviert haben.

Teilnahme für Ärzte ist durch alternative Nachweise möglich

In einer Übergangszeit können Haus- und Fachärzte aber auch dann am Konzept teilnehmen, wenn sie Erfahrung in der Betreuung von Schwerstkranken in Hospizen nachweisen oder zumindest zwei palliativmedizinische Fortbildungen absolviert haben.

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