In Würde zu Hause sterben dürfen - ein Rechtsanspruch, der in Deutschland bislang extrem schlecht umgesetzt worden ist. Jetzt scheint es trotz vieler Probleme und Widersprüche endlich Bewegung zu geben.

Von Christoph Fuhr

Dankbar angenommen: Hände, die Wärme geben, wenn sich das Leben dem Ende zuneigt.

Dankbar angenommen: Hände, die Wärme geben, wenn sich das Leben dem Ende zuneigt.

© imago/Lem

Sie ziehen gemeinsam an einem Strang, um die palliativmedizinische Versorgung in Deutschland zu verbessern: Vertreter von etwa 50 gesellschaftlich und gesundheitspolitisch relevanten Institutionen haben im Spätsommer an einem Runden Tisch die "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen" verabschiedet.

Das Projekt war vor zwei Jahren von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), dem Deutschen Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) und der Bundesärztekammer (BÄK) initiiert worden.

Ziel der Charta ist es, die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Themen Sterben und Sterbebegleitung zu fördern. Sie soll eine grundlegende Orientierung bieten und ein wichtiger Impuls für die Weiterentwicklung der Palliativmedizin sein", erläuterte Professor Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer. Es gehe darum zu zeigen, wie eine Palliativversorgung aussehen muss, die sich nach den tatsächlichen Bedürfnissen unheilbar kranker und sterbender Menschen richtet.

KBV positioniert sich mit einem Vertragskonzept

Bei der Umsetzung der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) hat es in diesem Jahr weitere Fortschritte gegeben. Stärker als bisher hat sich dabei die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) positioniert.

Sie will die Arbeit von Hausärzten als Koordinatoren aufwerten und legte dazu einen Vertragsentwurf "zur qualifizierten allgemeinen ambulanten Palliativversorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen" (AAPV) auf der Grundlage von Paragraf 73c SGB V vor.

Das in der Vertragswerkstatt der KBV erarbeitete Konzept basiert auf einem Konsens von Experten, nach dem 90 Prozent der Sterbenden ambulant durch ihren vertrauten Hausarzt in Kooperation mit anderen Vertragsärzten, Pflegern und weiteren nichtärztlichen Berufen versorgt werden können.

Nur jeder zehnte Patient ist danach auf (SAPV) angewiesen. Eine intensive Betreuung durch den Hausarzt ist in den derzeitigen Strukturen zwischen der kurativen vertragsärztlichen Versorgung und der SAPV allerdings nicht definiert. Das KBV-Versorgungskonzept soll neue Standards setzen, erläuterte KBV-Vorstand Dr. Carl-Heinz Müller.

Einzelverträge - ein schlechtes Konzept?

Die Umsetzung der SAPV auf der Basis freiwilliger Verträge, die Krankenkassen mit den Palliativcare-Teams schließen, ist aus Sicht Müllers gescheitert. Der Rahmen der Versorgung und Vergütung muss in einem Kollektivvertrag gesichert werden, fordert die KBV.

Der Vertrag müsse schiedsamtsfähig sein. Darüber hinaus müsse palliativmedizinische Versorgung im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich berücksichtigt werden.

Die KBV stößt mit diesem Forderungskatalog in der politischen Debatte durchaus auf wohlwollendes Interesse. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang Zöller (CSU) etwa hat die derzeit geltende gesetzliche Regelung für die SAPV inzwischen in Frage gestellt. "Wenn Einzelverträge der Grund sind, dass die SAPV-Ziele bisher nicht erreicht worden sind, dann muss das geändert werden", sagte Zöller bei einer Tagung der KBV im Herbst.

Es gibt derzeit etwa 170 verschiedene SAPV-Verträge - mit steigender Tendenz. Die aktuelle Versorgungslage ist allerdings von Intransparenz, Heterogenität und Unsicherheit geprägt. "Wir brauchen dringend Transparenz, insbesondere mit Blick auf eine Vergleichbarkeit von Verträgen", so die Forderung von SAPV-Vertragsexperten in Berlin. Vielen Kassen sei Transparenz aber ein Dorn im Auge.

Welche Zukunftsperspektiven hat die ambulante Palliativersorgung? Trotz vieler Probleme und Widersprüche ist Bewegung zu erkennen -vor allem auf lokaler Ebene hat es offenbar in einigen Bundesländern erhebliche Fortschritte gegeben: Jeder Mensch soll das Recht haben, in Würde zu Hause sterben zu dürfen.

Zur Jahresendausgabe 2010 der "Ärzte Zeitung" mit allen Artikeln

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Sterbehilfe bei neurologischen Erkrankungen oft gefragt

Assistierter Suizid in Deutschland: Rechtliche Situation und offene Fragen

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

© Paolese / stock.adobe.com (Model mit Symbolcharakter)

Neuer Therapieansatz bei erektiler Dysfunktion

Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Kranus Health GmbH, München

Weniger Bürokratie

Wie nützt Digitalisierung?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

Wie Ärzte in Stresssituationen richtig reagieren können

Verschmutzte Luft

Was Reinigungsmittel in der Lunge anrichten können

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Lesetipps
Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“