Pflege von Angehörigen soll leichter werden

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat ihre Pläne für eine zweijährige Familienpflegezeit präzisiert. Im Herbst soll ein Gesetzentwurf folgen. Bei SPD und Grünen stößt das Vorhaben auf Kritik.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Viele Bundesbürger wünschen sich eine Auszeit für die Pflege von Angehörigen. © photos.com

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BERLIN. Etwa 2,2 Millionen Menschen in Deutschland erhalten zurzeit Leistungen aus dem Topf der Sozialen Pflegeversicherung. Rund 1,5 Millionen Menschen werden zu Hause von Angehörigen und ambulanten Pflegediensten versorgt. Auch das Gros der Berufstätigen möchte pflegebedürftige Angehörige so weit wie möglich selbst betreuen, stößt dabei aber oft auf große Probleme.

Genau an diesem Punkt will das Modell der Familienpflegezeit ansetzen, für das Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) in der vergangenen Woche in Berlin erneut geworben hat. Ihr Modell sieht vor, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren auf bis zu 50 Prozent reduzieren können, dabei dann aber 75 Prozent ihres Gehalts beziehen. Zum Ausgleich müssten sie später wieder voll arbeiten, bekämen aber dann weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts - so lange, bis das Zeitkonto wieder ausgeglichen ist.

Arbeitnehmer können bereits im Vorfeld einer möglichen Pflegebedürftigkeit in der Familie Zeit für die Pflegephase auf einem Wertkonto ansparen. Dies wird dann mit der Lohnfortzahlung in der Pflegephase verrechnet. Reicht das Guthaben auf dem Wertkonto nicht aus, um die Pflegephase zu überbrücken, leistet der Arbeitgeber eine Lohnvorauszahlung. Um kleinere Betriebe bei der Finanzierung der Lohnvorauszahlungen in der Pflegephase zu unterstützen, sollen finanzielle Hilfen durch die KfW-Bank bereitgestellt werden.

Mit der Pflegezeit wolle sie Berufstätigen helfen, "Verantwortung für ihre Angehörigen zu übernehmen", sagte Schröder. Schon im Herbst werde sie einen Gesetzentwurf vorlegen. Die Bundesbürger rief Schröder auf, Abstand zu nehmen von der Illusion, "dass wir unsere Probleme immer mit mehr Geld lösen können".

Vertreter der Opposition kritisierten die Pläne als zu kurz gesprungen. Die Pflegezeit betrage im Schnitt acht und nicht zwei Jahre, wie die Ministerin behaupte, sagte die seniorenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Caren Marks. "Daher geht das Modell an der Realität vorbei." Zudem seien wichtige Fragen zum möglichen Arbeitsplatzwechsel von Arbeitnehmern während und nach der Pflegezeit, zur privaten Insolvenz oder aber zur Insolvenz von Betrieben ungeklärt, kritisierte Marks.

Die Pflegesprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, gab zu bedenken, dass viele Familien nicht mehr am selben Ort lebten. Solchen Arbeitnehmern helfe das Schröder-Modell nicht, "da sie weiter halbtags arbeiten müssten".

Die Grünen setzten sich daher dafür ein, dass Erwerbstätige, die Pflegeaufgaben nicht dauerhaft übernehmen könnten oder wollten, Anspruch auf eine dreimonatige Pflegezeit mit kompletter Freistellung vom Beruf erhielten. "Damit sich das alle leisten können, soll in dieser Zeit eine steuerfinanzierte Lohnersatzleistung gezahlt werden", schlug Scharfenberg vor.

Jeder zweite Deutsche wünscht sich eine Auszeit für die Pflege eines Angehörigen. Eine Begrenzung auf sechs Monate halten sechs von zehn Bundesbürgern dabei allerdings für zu kurz. Nur jeder Vierte vertritt die Ansicht, die jetzige Regelung sei ausreichend. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Befragung der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) unter mehr als 1000 Bundesbürgern.

"Die Pläne des Bundesfamilienministeriums, die Pflegeauszeit zu verlängern, gehen daher grundsätzlich in die richtige Richtung", sagte ZQP-Chef Dr. Ralf Suhr. Zusätzlich gelte es aber für die Betriebe, flexible Regelungen zu finden, die auch die längere Pflege eines Angehörigen zu Hause ermöglichen. Die durchschnittliche Pflegezeit dauere inzwischen länger als acht Jahre, so Suhr.

Für 43 Prozent der Befragten ist eine Pflegeauszeit aber nur akzeptabel, wenn Staat oder Arbeitgeber finanziell zur Seite stehen. Verdienstausfall könne man sich nicht leisten, so die Mehrheit. (hom)

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