Psychotherapeuten wollen sich von ihren Fesseln befreien

Nach Ansicht der Psychotherapeuten brauchen sie mehr Befugnisse, um die Versorgung sicherstellen zu können. Doch das stößt auf Widerstand bei den Ärzten.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Psychisch kranke Menschen warten oft lange auf ihre Behandlung: Psychotherapeuten wollen mit mehr Befugnissen das Warten verkürzen.

Psychisch kranke Menschen warten oft lange auf ihre Behandlung: Psychotherapeuten wollen mit mehr Befugnissen das Warten verkürzen.

© photos.com

BERLIN. Die Forderung hat es in sich: Die Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) möchte, dass die Psychotherapeuten "klare Kompetenzen" erhalten. Dahinter steckt die Erweiterung der sozialrechtlichen Befugnisse der Psychotherapeuten, sprich: Krankenhauseinweisungen, Verordnungen von Heilmitteln, Überweisungen an Fachärzte und Leitung psychotherapeutischer Krankenhausabteilungen. All das ist zurzeit in der Hand der Ärzte. Doch das sei fachlich nicht begründbar, kritisieren die Psychotherapeuten.

Nach wie vor seien denn Psychotherapeuten hier im Sozialrecht "Fesseln angelegt", sagte DPtV-Chef Dieter Best anlässlich des Symposiums "Zunahme psychischer Erkrankungen - Antworten für die Versorgung" in Berlin. "Warum sollten Psychotherapeuten ihre Patienten im Rahmen des Gesamtbehandlungsplanes nicht in psychotherapeutische oder psychiatrische Kliniken und Abteilungen einweisen können?", fragte Best. Schließlich nehme der Bedarf psychotherapeutischer Versorgung zu. Ein Fünftel aller Erwerbstätigen sei seelisch belastet.

"Hier muss sich etwas bewegen", forderte auch Barbara Lubisch, stellvertretende Vorsitzende des DPtV. Eine Erweiterung der psychotherapeutischen Befugnisse seien unerlässlich für eine verbesserte Patientenversorgung. "Damit lassen sich zugunsten der Versorgung die Wege für die Patienten deutlich verkürzen", so Lubisch. Und das käme den Patienten direkt zugute: Sie erhielten "so schneller die Versorgung, die sie für ihre Gesundung benötigen".

Mit dieser Forderung stoßen die Psychotherapeuten bei der Bundesärztekammer (BÄK) allerdings nach wie vor auf Widerstand. "Den Ärzten muss immer noch die Gesamtbehandlung des Patienten vorbehalten bleiben", betonte BÄK-Vize, Dr. Cornelia Goesmann. Psychotherapeuten seien bestimmt sehr gut ausgebildet, aber nicht jeder psychisch kranke Mensch brauche Psychotherapie. Der Arzt müsse über die Therapieform entscheiden. Zudem stehe jedem frei - wenn er merkt, ein Patient sei psychisch völlig dekompensiert - einen Krankenwagen zu rufen. Die hoheitliche Verordnung von Krankenhauspflege sei aber Ärzten vorbehalten. Keinesfalls dürften die Kompetenzen von Ärzten immer weiter ausgehöhlt werden - auch nicht in Zeiten des Ärztemangels.

Auch der GKV-Spitzenverband sieht die Forderungen der Psychotherapeuten skeptisch. "Um diese Rechte auszuüben, ist nicht ohne Grund eine bestimmte medizinische Ausbildung Voraussetzung, über die Psychotherapeuten nun einmal nicht verfügen", betonte Claudia Widmaier, Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes. "Die Vermutung liegt nahe, dass es hier eher darum geht, Zuständigkeitsbereiche inhaltlich auszuweiten und sich entsprechend vergüten zu lassen", so Widmaier.

Lesen Sie dazu auch: Zu lange Wartezeiten für psychisch Kranke

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Koordinierende Versorgung als Ziel

Long-COVID-Richtlinie in Kraft - jetzt fehlt noch die Vergütung

Lesetipps
128. Deutscher Ärztetag in der Mainzer Rheingoldhalle.

© Rolf Schulten

Berufliche Qualifikation

Ärztetag fordert von der EU Priorität für Gesundheitsthemen