Herausforderung für Rehakliniken

Reha in der Pandemie: Möglich und sicher

Rehabilitation in Pandemiezeiten: Wie Reha trotz, mit und nach einer Corona-Infektion funktioniert und die behandelnden Ärzte herausfordert.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Messung der Lungenfunktion bei einem nach COVID-19 genesenen Patienten.  Uwe Anspach/dpa

Messung der Lungenfunktion bei einem nach COVID-19 genesenen Patienten. Uwe Anspach/dpa

© Uwe Anspach / dpa

Berlin. Das Corona-Virus verändert die Rehabilitation: Medizinische Reha-Leistungen für chronisch Kranke müssen jetzt unter strengen Hygieneauflagen erfolgen, neu hinzukommen Corona-Patienten nach einer kräftezehrende Akut-Behandlung oder mit spät auftretenden, diffusen Symptomen. Wie funktioniert eine Rehabilitation trotz, mit und nach Corona?

Reha trotz Corona

Reha trotz Corona: Die Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus hatte die Rehabilitation im Frühjahr 2020 nahezu lahmgelegt. 865.000 medizinische Reha-Leistungen wurden im vorigen Jahr abgeschlossen, 2018 lag deren Zahl noch bei rund einer Million. Die Behandlung eines chronischen Leidens lässt sich jedoch nicht endlos aufschieben und nach einer Operation wird eine Anschlussrehabilitation (AHB) oftmals dringend gebraucht.

Wie geht eine Rehabilitation trotz anhaltender Infektionsgefahr durch das Coronavirus? Zuallererst: Es dürfen auf keinen Fall infizierte Patienten aufgenommen werden, denn jeder Ausbruch kann zu einer kompletten Klinikschließung führen. Für die Aufnahme der Rehabilitanden standen im Frühjahr 2020 ausschließlich PCR-Test zur Verfügung. „Bis das Testergebnis vorlag, war eine mindestens 24- bis 48-stündige Quarantäne des einzelnen Patienten nötig. Damit sind ein bis zwei Reha-Tage einfach weggefallen“, erinnert sich Professor Dr. Monika Reuß-Borst, Ärztliche Direktorin der Kliniken Bad Bocklet.

Patienten, die ehrgeizig sind, fällt es schwer, einen Leistungseinbruch zu akzeptieren.

Professor Volker Köllner, Chefarzt des Rehazentrums Seehof

Mittlerweile haben sich neue Routinen eingestellt: „Alle anreisenden Rehabilitanden werden am Anreisetag einem Antigen-Test unterzogen und damit ist die Aufnahme deutlich einfacher geworden“, sagt sie. Nach sieben Tagen folgt ein weiterer Test, um eine mögliche Ansteckung sicher auszuschließen. Die Professorin hat zudem in einer eigenen Studie belegt, dass aufgrund des prästationären Screenings ihrer Klinik die Anzahl positiv getesteter asymptomatischer Rehabilitanden im Untersuchungszeitraum im Vergleich zu den RKI-Daten gering war.

Volker Koellner, Klinikdirektor und Leiter der Abteilung Psychosomatik und Verhaltenstherapie, Reha-Klinik Seehof der Deutschen Rentenversicherung (DRV).

Prof. Volker Koellner, Direktor der Reha-Klinik Seehof.

© Soeren Stache / dpa-Zentralbild

Die Neuorganisation der Aufnahme ist der zentrale Baustein des Hygienekonzeptes, das alle Reha-Kliniken zu Beginn der Corona-Pandemie erarbeitet haben. Um trotz der anhaltenden Infektionsgefahr durch Corona eine stationäre Rehabilitation anbieten zu können, hat sich in Bad Bocklet - wie anderen Kliniken auch - der Alltag verändert: Die Therapiegruppen sind deutlich kleiner und können auch im Freien stattfinden. Die Mahlzeiten nehmen die Patienten im Schichtsystem ein, um die Abstandsregeln zu wahren.

Und manche Vorträge, die bislang in Präsenz stattfanden, werden nun digital angeboten. „Die Pandemie machte eine grundlegende Anpassung vieler Prozess-Abläufe erforderlich. Die letzten Monate haben uns jedoch gezeigt, dass Reha auch in Pandemie-Zeiten möglich und für unsere Patienten sicher durchführbar ist“, sagt Monika Reuß-Borst.

Reha mit Corona

Reha mit Corona: Infektion und intensivmedizinische Behandlung bedeuten vor allem Stress für Atmung und Lunge. Allein in der Klinik Bad Reichenhall der DRV Bayern Süd sind seit Pandemiebeginn bis Juni 2021 mehr als 300 Patienten zur Rehabilitation nach COVID-19 aufgenommen worden. Die Daten der ersten 108 Patienten von 2020 hat der Medizinische Direktor, Dr. Konrad Schultz, gemeinsam mit seinem Team ausgewertet.

Für rund 50 Prozent war die Atemnot bei körperlicher Belastung das für sie wichtigste Symptom, für 16,7 Prozent Sorgen und Ängste und für 15,7 Prozent die Mattigkeit und Erschöpfung. Bei der Belastungsdyspnoe greifen klassische Reha-Leistungen wie das Training von Ausdauer und Muskelkraft sowie Atem- und Physiotherapie. Psychologische und soziale Angebote – Psychotherapie, Ergotherapie, Ernährungsberatung, Patientenschulungen – helfen, die Krankheit auch psychisch und seelisch zu bewältigen.

„Reha wirkt, insbesondere bei Patienten, die akut stationär behandelt worden sind, selbst wenn der Krankenhausaufenthalt Monate zurückliegt. Auch Patienten mit leichteren Initialverläufen, aber persistierenden Beschwerden profitieren von der multimodalen Therapie in einer Reha-Klinik“, sagt Schultz.

Reha nach Corona

Reha nach Corona: Wen es wie hart trifft, lässt sich bei einer Corona-Infektion kaum voraussagen. Zudem ist nicht eindeutig definiert, was unter einem Post- oder Long-COVID-Symptom zu verstehen ist. Dass die gesundheitlichen Belastungen in ersten Pandemiejahr nicht allein durch das Virus ausgelöst worden sind, weiß Professor Volker Köllner, Chefarzt des Rehazentrums Seehof in Teltow.

Er sieht einen zusätzlichen Rehabedarf bei jenen Menschen, die sich durch die Folgen des Lockdowns belastet fühlten. Zwischen Juli und November 2020 hat er gemeinsam mit Forschern der Berliner Charité 277 Patienten in der psychosomatischen Rehabilitation befragt.

Die überwiegende Mehrzahl fühlte sich demnach in der Rehabilitationsklinik sicher und wirksam unterstützt. 20 Prozent der Patienten äußerten jedoch Ängste vor einer Corona-Infektion und 17 Prozent plagten existenzielle Sorgen.

Reha-Plan individuell anpassen

Für die meisten Befragten aber waren der Lockdown und die Kontaktbeschränkungen die Auslöser für ihre gesundheitlichen Beschwerden: „Es gibt Hinterbliebene, die sich nicht von einem sterbenden Angehörigen verabschieden konnten und ihre Trauer nicht bewältigen können. Das sind Menschen mit Depressionen, die aufgrund der fehlenden Kontakte noch tiefer in ihre Erkrankungen hineingeraten sind oder auch Menschen, die in dieser Zeit auch häusliche Gewalt erlebt haben“, sagt Köllner.

Nicht nur die somatischen Gesundheitsfolgen einer Corona-Infektion, sondern auch die psychischen Auswirkungen durch die Pandemie-Auflagen werden die Rehabilitation noch eine Weile beschäftigen.

Bei Reha-Beginn müssten daher somatische und psychosomatische Beschwerden erkannt und der Reha-Plan individuell angepasst werden: „Patienten, die eher ehrgeizig sind und ein hohes Funktionsniveau hatten, fällt es schwer, einen Leistungseinbruch zu akzeptieren. Sie neigen dazu, sich zu überlasten. Andere schonen sich zu sehr und müssen eher zu Aktivität ermutigt werden. Bei Patienten wiederum, die sich selbst nicht mit Corona infiziert hatten oder keine wesentlichen Organschäden haben, sind vor allem Angst, Depressivität, Somatisierung sowie dysfunktionale Verhaltensmuster zu behandeln“, sagt Köllner.

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