Reproduktionsmediziner warnen vor Flickenteppich von Regeln

Patienten mit Kinderwunsch in der EU sind durch die zersplitterten Regeln benachteiligt, so Reproduktionsmediziner. Viele Paare müssten Hilfe im Ausland suchen.

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Künstliche Befruchtung: Die Zahl hilfesuchender Paare steigt.

Künstliche Befruchtung: Die Zahl hilfesuchender Paare steigt.

© monkey business / fotolia.com

Von Petra Spielberg

GASTEIN. Vertreter der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) haben beim Europäischen Gesundheitsforum Gastein (EHFG) die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen für Kinderwunschbehandlungen in EU-Ländern kritisiert. Patienten hätten mancherorts keine Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Therapiemöglichkeiten bei Unfruchtbarkeit, monierte die ESHRE.

Besonders umstritten sind in Europas die Themen Eizellen- und Embryonenspende, Leihmutterschaft und Präimplantations-Diagnostik. Die EU-Richtline über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen gibt den Rahmen für die einzelstaatlichen Regelungen vor.

In 19 EU-Staaten existieren eigene Gesetze für die In-vitro-Fertilisation (IvF), sagte Isabel de la Mata von der EU-Kommission. Die anderen acht Länder deckten das Thema durch allgemeine Gesundheitsgesetze ab.

In Europa interessieren sich immer mehr Paare für eine künstliche Befruchtung. Eines von sechs Paaren europaweit, so eine Erhebung der Fachgesellschaft ESHRE, suche medizinische Hilfe, um sich einen Kinderwunsch zu erfüllen.

Entsprechend hoch ist die Zahl der IvF-Behandlungszyklen. Waren es 1996 noch 203  893, verzeichnete die ESHRE 2006 bereits 494  599 Zyklen. Die Zahl der Kliniken, die IvF-Behandlungen anbieten, stieg im selben Zeitraum von 482 auf 1016.

In einigen Ländern liegt der Anteil der Retortenbabys inzwischen bei zwei bis fünf Prozent. Seit der Geburt des ersten Retortenbabys Louise Brown im Jahr 1978 sind mehr als 4,3 Millionen Kinder durch IVF zur Welt gekommen.

"Weil die Finanzierung durch öffentliche Kostenträger und die Möglichkeiten der Behandlung in den einzelnen Ländern unterschiedlich geregelt sind, suchen viele Betroffene Hilfe außerhalb ihres Heimatlandes, mit allen gesundheitlichen Risiken für sich selbst und ihre ungeborenen Kinder", sagte Clare Lewis Jones, Vorsitzende der europäischen Vereinigung Fertility Europe.

"Wir schätzen, dass insgesamt 30 000 Paare außerhalb ihrer Landesgrenzen eine IvF-Behandlung in Anspruch nehmen", sagt der italienische ESHRE-Vorsitzende Dr. Luca Gianaroli.

Die Pharmaindustrie wiederum wünscht sich eine stärkere Förderung von gemeinsamen Forschungsprojekten von Wissenschaft und Industrie zur Entwicklung neuer Ansätze in der Fertilitätsbehandlung. "Es hätte positive Auswirkungen auf die Entwicklung neuer Substanzen, wenn über Preisgestaltung und Kostenerstattung Innovationen unterstützt würden", betonte Joan-Carles Arce, Vize-Präsident für Forschung und Entwicklung beim Pharma-Unternehmen Ferring.

Der CDU-Europaabgeordnete und Bioethik-Experte Dr. Peter Liese betonte, dass er grundsätzlich keine Bedenken gegen die künstliche Befruchtung hat. "Wenn sich die künstliche Befruchtung an strenge Regeln hält, kann sie durchaus positiv sein.

Jedoch gibt es auch Schattenseiten, insbesondere dann, wenn diese strengen Regeln nicht gelten." So würden in vielen Ländern sehr viel mehr Embryonen erzeugt als in einem Zyklus eingepflanzt werden. Dies führe zu einem ethischen Dilemma.

Dass auch in Deutschland die Nachfrage nach Kinderwunschbehandlungen steigt, geht aus dem neuen Bericht "Fortpflanzungsmedizin - Rahmenbedingungen, wissenschaftlich-technische Entwicklungen und Folgen" hervor, den das Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB-Büro) am Mittwoch vorgelegt hat.

Danach nehmen jährlich in Deutschland rund 200 000 von 1,5 Millionen Paaren, die einen Kinderwunsch haben, aber auf natürlichem Wege kein Kind bekommen, eine reproduktionsmedizinische Behandlung in Anspruch.

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