Schizophrenie

Sektorengrenzen bremsen die Versorgung aus

Ein paar IV-Verträge und Regionalbudgets – die Versorgung von Patienten mit Schizophrenie ist suboptimal, monieren Experten. Viel zu wenige Patienten erhalten eine Psychotherapie. Hauptgrund: die Sektorengrenzen.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Bei Patienten mit Schizophrenie geht es nicht nur um die Grenze zwischen ambulant und stationär. In die Versorgung spielen viele weitere Sparten wie Berufsreha oder Familienpflege mit hinein.

Bei Patienten mit Schizophrenie geht es nicht nur um die Grenze zwischen ambulant und stationär. In die Versorgung spielen viele weitere Sparten wie Berufsreha oder Familienpflege mit hinein.

© lassedesignen / stock.adobe.com

BERLIN. Schizophrenie – das bedeutete bis etwa 1975 für viele Erkrankte ein Leben in Anstalten. 31 Prozent der Patienten wurden damals länger als zehn Jahre stationär versorgt – weitgehend ohne Therapie. "Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Da hat sich zum Glück vieles verändert", sagte Professor Arno Deister, Chefarzt am Klinikum Itzehoe, auf dem Kongress "Psychische Gesundheit 2030" in Berlin.

Nur verwahrt und weggesperrt werden Schizophrenie-Patienten heute nicht mehr. Doch optimal ist deren Versorgung noch lange nicht, darin waren sich die Teilnehmer der Veranstaltung alle einig. Viel zu wenige Patienten mit Schizophrenie erhalten eine Psychotherapie, berichtete Professor Andrea Pfennig von der Uniklinik Dresden.

Zu viele Sparten beteiligt

Ursache dafür sind nicht nur die viel zu wenigen Fachärzte im niedergelassenen Bereich. Hauptproblem ist das im Bereich von psychischen Erkrankungen äußerst fragmentierte Versorgungssystem, das sich nicht nur in ambulant und stationär unterteilt, sondern auch noch Sparten wie Betreutes Wohnen, Berufsreha, Jobcoaching oder Familienpflege kennt. Auch zwischen Adoleszenten- und Erwachsenen-Therapie bestehen laut Pfennig teils Hürden, die schwer zu überwinden sind.

"Die Sektorengrenzen sind das Grundübel. Die Frage ist nicht, ob, sondern wie wir sie überwinden", so Andrea Pfennig. Nicht nur die Reduktion der Symptome steht bei der Versorgung von Menschen mit Schizophrenie laut Leitlinien im Vordergrund, sondern zum Beispiel auch die Erhöhung der Sozialkompetenz, die Wiederherstellung des Funktionsniveaus oder die Verbesserung der Selbstbestimmung. Bewerkstelligt werden soll das über die Einbeziehung der aufsuchenden gemeindenahen Versorgung, von Home Treatment, Jobcoaching oder von Angehörigen.

Regionale Konzepte wirken

Mit Hilfe von regionalen Psychiatriebudgets, IV-Verträgen und Modellvorhaben nach Paragraf 64b SGB V gelingt das in einigen Regionen Deutschlands gut. Über Erfolge am Klinikum Itzehoe mit dem regionalen Budget berichtete Arno Deister. Die stationäre Verweildauer sei um 54 Prozent innerhalb der vergangenen 15 Jahre zurückgegangen, die Zahl der pro Jahr stationär behandelten Menschen um 41 Prozent gesunken, die der ambulant behandelten dafür um 71 Prozent gestiegen.

Auch für das Hamburger Modell, einen IV-Vertrag, präsentierte Professor Martin Lambert von der Uniklinik Hamburg-Eppendorf positive Ergebnisse, so zum Beispiel im Hinblick auf das Erreichen einer fast normalen Lebensqualität, auf weniger Behandlungsabbrüche und auch hinsichtlich der Ein-Jahres-Kosten im Vergleich zur Regelversorgung.

Kritik an IV-Verträgen äußerte Professor Hans Joachim Salize, Leiter der Arbeitsgruppe Versorgungsforschung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim. Wenn die Modelle nach zehn Jahren noch keine Flächendeckung erreicht haben, dann müssten sie wohl als gescheitert betrachtet werden. Bei geschätzten 50.000 eingeschriebenen Versicherten sei die IV-Versorgung angesichts von 1,2 Millionen stationären psychiatrischen Aufnahmen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Salize kritisierte zudem, dass mit den Budgets das Morbiditätsrisiko von den Finanzierungsträgern auf die Leistungserbringer übertragen werde. Er forderte nicht nur, die Psychiatriedebatte von "Budget- auf Fachfragen zurückzuführen", sondern auch neue Ideen und neue Versorgungsmodelle für Risikogruppen wie etwa für Flüchtlinge. Vor allem sei aber ein Paradigmenwechsel zur Prävention nötig.

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