Bundestag schafft Rechtssicherheit

Solidargemeinschaften als Alternative zur Krankenkasse – PKV empört

Der Bundestag hat Kriterien für die Arbeit von Solidargemeinschaften festgelegt, die sich als „dritter Weg“ zu GKV und PKV verstehen. Der PKV-Verband zeigt sich vergrätzt.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Wie gut abgesichert sind Mitglieder von Solidargemeinschaften? Der Gesetzgeber will Nachweise der „dauerhaften Leistungsfähigkeit“.

Wie gut abgesichert sind Mitglieder von Solidargemeinschaften? Der Gesetzgeber will Nachweise der „dauerhaften Leistungsfähigkeit“.

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Berlin/Bremen. Der Bundestag hat sogenannte „Solidargemeinschaften“ als Alternative zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung als zulässige anderweitige Absicherung im Krankheitsfall anerkannt. Das entschied der Bundestag am 6. Mai anlässlich seiner Zustimmung zum Digitale-Versorgung-und-Pflegegesetz (DVPMG). Damit haben die Solidargemeinschaften Rechtssicherheit.

Der PKV-Verband kritisiert den Beschluss als „unverantwortlich“. Offen ist zudem, ob die Gemeinschaften, die eigentlich gar nicht besonders wachsen wollen, nun mit einem Boom von Mitgliedsanträgen zu rechnen haben. Die Solidargemeinschaften verstehen sich als Alternative zu den Krankenversicherungen. Die rund 20.000 bis 25.000 Angehörigen der verschiedenen Gemeinschaften in Deutschland sehen sich als solidarische Gruppen, die im Krankheitsfall finanziell füreinander einstehen.

Krankenkassen als Benchmark

Der Gesetzgeber verpflichtet sie jetzt, vor allem zwei Kriterien zu erfüllen: Die Gemeinschaften müssen ihren Mitgliedern Leistungen „in Art, Umfang und Höhe“ der gesetzlichen Krankenkassen gewähren. Und sie müssen ihre „dauerhafte Leistungsfähigkeit“ gutachterlich nachweisen lassen. „Die Kriterien, die der Bundestag nun gesetzlich vorschreibt, sind vernünftig und werden von den Mitgliedseinrichtungen der BASSG bereits erfüllt“, kommentiert der Vorsitzende des Dachverbands von Solidargemeinschaften (BASSG), Urban Vogel, den Beschluss des Bundestags.

Bei der Einführung der Versicherungspflicht im Jahre 2007 hat der Gesetzgeber neben den gesetzlichen und privaten Kassen auch die Möglichkeit der anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall eingeführt, worunter die Solidargemeinschaften fallen. Allerdings hat der Gesetzgeber dabei versäumt, die Kriterien zu benennen, die von einer Solidargemeinschaft erfüllt werden müssen.

Im Frühjahr 2018 hatte die Barmer erst nach einem langen Rechtsstreit einen Versicherten zu der Bremer Solidargemeinschaft „Samarita“ ziehen lassen. Das Argument der Kasse war damals, die Gemeinschaften böten keinen rechtlichen Anspruch auf einen festen Leistungskatalog. Mit der Neuregelung durch den Bundestag fällt dieses Argument nun weg. Müssen die Solidargemeinschaften nun mit einem Mitgliederboom rechnen, der den Charakter ihres Modells verändern würde? Schließlich könnten manchem privat Versicherten die Beiträge zu seiner Krankenversicherung mit der Zeit zu hoch werden und seinen Wechselwillen zu einer Solidargemeinschaft stärken. „Es stimmt, dass wir nicht unbegrenzt wachsen wollen. Denn es geht ja um die Überschaubarkeit und gegenseitige Sichtbarkeit innerhalb der Gemeinschaften“, sagt Urban Vogel, der auch Vorstand der Solidargemeinschaft „Samarita“ ist.

Klar ist, dass die „Samarita“, die heute rund 320 Mitglieder hat, vermehrt Anfragen erhält. „Wir erwarten keinen Boom, aber wir nehmen ein gewisses Interesse wahr“, sagt Vogel. Die privaten Versicherer sind mit dem Angebot der Solidargemeinschaften nicht einverstanden.

„Risiko der Zahlungsunfähigkeit“

„Die Gleichstellung der Mitgliedschaft in sogenannten Solidargemeinschaften mit der Absicherung in der GKV oder PKV ist unverantwortlich“, kommentiert ein Sprecher des PKV-Verbandes die Entscheidung des Bundestages auf Anfrage. „Die Versichertengemeinschaften der GKV und der PKV tragen jetzt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit einer Solidargemeinschaft.“

Im schlimmsten Fall müssten beide Versicherungssysteme deren Mitglieder übernehmen, ohne dass diese dort je eingezahlt hätten. Das gleiche gelte auch dann für den Fall, dass ein Mitglied in einer Solidargemeinschaft seine Mitgliedschaft beende, wenn höhere Krankheitskosten anfallen, die von der Solidargemeinschaft nicht erstattet werden.

„Beides steht exemplarisch für die Unsicherheiten, die mit der Mitgliedschaft in einer Solidargemeinschaft verbunden sind. Für Menschen, die im Krankheitsfall auf Sicherheit und Leistungsstärke setzen, kann das keine Alternative sein“, so der Sprecher.

Solidargemeinschaften in Deutschland

  • Der Dachverband von Solidargemeinschaften im Gesundheitswesen hat vier Mitgliedsunternehmen.
  • Der BASSG gehören die Samarita Solidargemeinschaft, die SpUka Münster, der SUV Vechta und die Uka Bielefeld an.
  • Die Solidargemeinschaften verfügen nach eigenen Angaben für Mitglieder über eine private Krankenversicherung für Krankheitskosten, die über 5000 Euro pro Person hinausgehen – im Sinne einer Rückabsicherung.
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