Die erste Kosten-Nutzen-Bewertung

Spät und ohne Folgen

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat die allererste Kosten-Nutzen-Bewertung für Arzneimittel veröffentlicht. Ökonomische Konsequenzen hat die Analyse allerdings keine.

Von Bertold Schmitt-Feuerbach Veröffentlicht:

KÖLN. An die Stelle von Kosten-Nutzen-Bewertungen (KNB), wie sie der GBA vor drei Jahren für die vier Antidepressiva Venlafaxin, Duloxetin, Bupropion und Mirtazapin beim IQWiG in Auftrag gegeben hat, sind inzwischen die frühen Nutzenbewertungen für neue Wirkstoffe getreten, mit anschließender Vereinbarung eines Erstattungsbetrages.

Nur wenn die Verhandlungen von Hersteller und GKV-Spitzenverband scheitern und die Schiedsstelle den Erstattungsbetrag festlegt, kann jede Seite eine KNB beantragen. Bis auf deren Basis ein Erstattungsbetrag neu vereinbart wird, gilt der Schiedsspruch weiter.

Institutsleiter Professor Jürgen Windeler sieht die jetzt vorgelegte KNB denn auch als Probelauf: "Wir wollten testen, ob die von uns favorisierte Methode der Effizienzgrenze tauglich ist und zu belastbaren Ergebnissen führt".

Der Test sei ein Erfolg, weil er "zu einem klaren Ergebnis geführt" hat. Fazit des Vorberichts: Die Kosten aller vier Wirkstoffe sind nach Einschätzung des IQWiG höher als ihr Nutzen.

Die tatsächlichen Preise liegen über dem sogenannten "zusatznutzenbereinigten Erstattungspreis", den das Institut aus den Effizienzgrenzen abgeleitet hat.

Als Komparatoren dienten Trizyklische Antidepressiva, Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Agomelatin und Trazodon. Allerdings nennt das IQWiG, das seine Kalkulation auf vorausgegangene Nutzenbewertungen stützte, einige Faktoren, welche die Aussagefähigkeit einschränken.

Man habe aufgrund fehlender Daten zusatznutzenbereinigte Erstattungspreise nur für die Endpunkte Ansprechen und Remission darstellen können, nicht aber für "Lebensqualität" oder "Therapieabbruch aufgrund unerwünschter Ereignisse".

Die Effizienzgrenzen konnten auch nur für einen Zeitraum von zwei Monaten bestimmt werden, nur dieser sei durch Studien ausreichend belegt.

Für den Endpunkt Remission kalkuliert das IQWiG einen zusatznutzenbereinigten Erstattungspreis für die N3-Packung von Venlafaxin auf 42,99 Euro im Vergleich zu einem Basispreis von 92,57 Euro, für Mirtazapin sind es 31,66 Euro statt 46,46 Euro.

Spätestens bei der Kalkulation der zusatznutzenbereinigten Preise für die noch patentgeschützten Substanzen Bupropion und Duloxetin stößt das Effizienzgrenzenmodell aber offenbar an seine Grenzen.

Minimales Sparpotenzial

Für Bupropion nennt das IQWiG 2,93 Euro (Basispreis: 104,88 Euro) und für Duloxetin 30,66 Euro (241,18 Euro), beim Endpunkt Ansprechen geht das IQWiG sogar nur von 9,30 Euro aus - erstaunliche Ergebnisse für Arzneimittel, deren Nutzen sich ja in den institutseigenen Nutzenbewertungen bereits erwiesen hat.

Hier darf man mit Spannung dem Stellungnahmeverfahren entgegensehen. Das IQWiG hat offenbar auch selbst Zweifel an der Angemessenheit der nutzenbereinigten Preise - die ja als Apothekenabgabepreise schon wegen der Handelsspannen nicht darstellbar sind.

Im Bericht heißt es: "Da auch die Verordnungszahlen für Bupropion und Duloxetin wesentlich geringer als die für Mirtazapin und Venlafaxin sind, ist es vertretbar, sich bei der Berechnung der Wirkung auf die Gesamtausgaben der GKV auf die Substanzen zu beschränken, für die ein angemessener zusatznutzenbereinigter Erstattungspreis errechnet werden konnte".

Doch selbst wenn die Preise von Venlafaxin und Mirtazapin auf das für die beiden Endpunkte kalkulierte Niveau ermäßigt würden, wäre das Sparpotenzial für das Gesundheitssystem minimal.

Bei Mirtazapin würden sich die gesamten Versorgungsausgaben in der Indikation Depression maximal um 0,52/0,86 Prozent verringern, bei Venlafaxin maximal um 0,80/1,02 Prozent.

Das liegt, erläutert das IQWiG, vor allem daran, dass die Arzneimittel bei der Behandlung der Depression nur einen geringen Anteil an den Gesamtausgaben haben. Denn zu Buche schlagen hier vor allem Klinikaufenthalte.

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

EU-Pharma Agenda: Impulse für die Arzneimittelversorgung in Deutschland

Arzneimittelversorgung in der EU: Status und Ausblick aus Sicht der GKV

Kooperation | Eine Kooperation von: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda

Welche Endpunkte sind patientenrelevant?

Studienendpunkte in der frühen Nutzenbewertung aus Sicht des IQWiG

Kooperation | In Kooperation mit: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda

EU-Pharma Agenda: Impulse für die Arzneimittelversorgung in Deutschland

Pharma-Agenda: Deutschland nach der Bundestagswahl

Kooperation | In Kooperation mit: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Let‘s talk about...

Tabuthema Sex: Wie spricht man es in der Sprechstunde an?

Blutzuckervariabilität

Wie die Time Below Range das Diabetes-Management verbessert

Lesetipps
Schwindel kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Mit den richtigen Fragen kommt man aber zur richtigen Diagnose.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

BAM-Kongress 2025

Schwindel in der Hausarztpraxis: Fünf Fragen zur Ursachenfindung

Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt