Mecklenburg-Vorpommern

Stolperstart für Adipositas-Projekt

Schluss mit fett: Der Nordosten hat der Adipositas den Kampf angesagt: Ärzte, Kliniken, Kassen und Verbände haben ein bundesweit einzigartiges Projekt entwickelt. Doch schon beim Start gibt es Probleme.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Zu viel von allem - das kann zu Adipositas führen.

Zu viel von allem - das kann zu Adipositas führen.

© Wallenrock/shutterstock.com

SCHWERIN. Bewegungsmangel, falsche Ernährung, falsche Vorbilder, Medienkonsum und genetische Disposition: Die Ursachen für Übergewicht sind vielfältig. Immer mehr Menschen schleppen zu viele Pfunde mit sich herum, ein immer höherer Anteil ist sogar adipös.

Besonders groß ist der Anteil übergewichtiger Menschen an der Ostseeküste: In Mecklenburg-Vorpommern ist über die Hälfte der Menschen übergewichtig. Jetzt wollen Ärzte, Kliniken, Krankenkassen und Patientenverbände das Problem gemeinsam anpacken.

Sie haben sich im Nordosten auf Grundsätze und ein Konzept zur Versorgung adipöser Patienten verständigt.

Ziel ist es, die unterschiedlichen Versorgungsebenen zu vernetzen, zu strukturierten Diagnostik- und Therapiemaßnahmen zu kommen und damit die Behandlung adipöser Menschen zu verbessern.

KV sagt kurzfristig ab

Konkret: Niedergelassene Haus- und Fachärzte sollen und wollen mit ihren Kollegen, mit stationären Einrichtungen und anderen Gesundheitsberufen zusammenarbeiten.

"Solche innovativen Versorgungsformen können entscheidend zur Verbesserung der Versorgung beitragen", meinen die Beteiligten.

Allerdings steckt der Teufel im Detail. Das zeigte sich schon bei der Präsentation des Konzepts vor der Landespressekonferenz in Schwerin.

Die KV sagte die Teilnahme kurzfristig ab, weil bislang nicht in Sicht ist, wie die Krankenkassen die KV als Vertreter der Vertragsärzte, die eine zentrale Rolle bei der Adipositasbekämpfung spielen, vertraglich einbinden wollen.

Denn die breit angelegte Initiative startet mit einer Vereinbarung, die Operationen bei Spezialisten vorsieht - für die KV der falsche erste Schritt. "Diese Vereinbarung löst unser Problem nicht. Bevor ich beim Haus das Dach baue, brauche ich das Fundament", sagt KV-Vize Dr. Dieter Kreye.

Bislang kein flächendeckendes Angebot

Das Fundament ist für ihn eine Vereinbarung über eine breite ambulante ärztliche Intervention. Das könnte schon daran scheitern, dass gar nicht genügend Ärzte qualifiziert sind.

Kreye schwebt deshalb ein regionales Modellprojekt vor. Bislang ist darüber keine Einigung erzielt worden, angeblich wegen Meinungsverschiedenheiten über die Beteiligung der KV.

Die Kassen schieben dies auf das Gesetz, das eine direkte Vertragspartnerschaft der KV nicht vorsehe. Niedergelassene Ärzte könnten aber als Kooperationspartner der Zentren eingebunden werden.

"Es muss eine enge Kooperation mit niedergelassenen Ärzten erfolgen", steht für Dr. Bernd Grübler von der vdek-Landesvertretung fest.

Er warnt aber davor, das bundesweit einmalige Konzept wegen der noch nicht erfolgten vertraglichen Einbindung zu zerreden: "Man sollte es positiv sehen, dass wir gemeinsam ein landesweites Konzept erarbeitet haben."

Allen ist dabei eine Vernetzung wichtig. Wegen mangelnder Vernetzung sei bislang "kein adäquates flächendeckendes Betreuungs- und Behandlungsangebot vorhanden. Die verschiedenen Bereiche arbeiten überwiegend sektoral, ein Informationsaustausch findet meist nicht statt", heißt es in dem 105 Seiten starken Papier etwa zur Situation im Kinder- und Jugendbereich.

Niedergelassene in der Verantwortung

Bekämpfen will man das Problem, indem ein Adipositas-qualifizierter Arzt auf der ersten Behandlungsebene mit den Akteuren auf Ebene zwei kooperiert. Dies kann ebenfalls ein niedergelassener Arzt sein, aber auch Sporttherapeuten und Ernährungsfachkräfte werden hinzu gezogen.

Auf der dritten Ebene kommt ein Adipositaszentrum hinzu, wo auch Psychologen und andere Fachleute einbezogen werden. Auf allen Ebenen ist der niedergelassene Arzt, der mindestens über eine curriculäre Fortbildung Adipositas bei Kindern und Jugendlichen der Ärztekammer verfügen muss, für die Kooperation verantwortlich.

Den Start bildet eine Eingangsuntersuchung mit ersten Interventionen zur Lebensstilveränderung. Nach drei Monaten erfolgt eine Kontrolle.

Werden Ziele nicht erreicht, leitet der Arzt die Familie in eine Kurzzeit-Intervention weiter. Diese dreimonatige Phase soll die Motivation zur Lebensstiländerung durch Schulungen erhöhen.

Bleibt das erfolglos, so kommt die Familie in eine ambulante Langzeit-Intervention mit 175 Schulungseinheiten über ein Jahr. Als nachrangige und nur ergänzende Maßnahme ist eine stationäre Reha vorgesehen.

"Vorrangig verhandlungsfähig" sind integrierte Versorgungsverträge. Sie sollen zunächst als Modell befristet vereinbart werden.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Jetzt kommt es auf die Kassen an

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