Spanien

Täglicher Beifall für die Coronavirus-Bekämpfer

Das spanische Gesundheitssystem stößt wegen des sich stark ausbreitenden SARS-CoV-2 langsam an seine Grenzen. Die Bevölkerung beklatscht Ärzte, Pflegekräfte und Co für ihren unermüdlichen Einsatz.

Von Manuel Meyer Veröffentlicht:
Applaus von den Balkonen: Ein tägliches Ritual in Spanien in Zeiten des Coronavirus.

Applaus von den Balkonen: Ein tägliches Ritual in Spanien in Zeiten des Coronavirus.

© Alvaro Fuente / NurPhoto / picture alliance

Madrid. Seit Samstag spielt sich jeden Abend um 20 Uhr ein Ritual in Spanien ab. Im ganzen Land treten um diese Zeit zigtausende Menschen an die Fenster und Balkone, um zu applaudieren.

Der minutenlange Beifall gilt den Ärzten, Sanitätern, Krankenpflegern und ihrem unermüdlichen Einsatz im Kampf gegen das Coronavirus. Autofahrer begleiten die Bravo-Rufe und das Klatschen der Menschen mit Hup-Konzerten.

„Das berührt mich. Das gibt Kraft. Kraft, die wir jetzt auch dringend brauchen“, versichert Eduardo Díaz. Der 50-jährige Allgemeinmediziner arbeitet im Gesundheitszentrum Mendiguchia in der Madrider Vorstadt Leganés. Er ist es gewohnt, lange und viel zu arbeiten. Vor allem zur jährlichen Grippewelle im Februar und März. Doch solch eine Situation habe er noch nie erlebt.

Die Schlangen im Wartezimmer sind kaum zu bewältigen, Überstunden Standard. Patienten mit Virus-Verdacht werden in einem isolierten Bereich behandelt. „Die meiste Arbeit erledigen wir allerdings per Telefon.

Die Menschen sind angehalten, telefonisch ihre Symptome mitzuteilen, und wir entscheiden dann, welcher Patient ins Krankenhaus kommt, und welcher unter ärztlicher Kontrolle daheim in Quarantäne bleiben kann“, erklärt Díaz.

Polizei kontrolliert Ausgangssperre

Im Kampf gegen das Coronavirus hat die spanische Regierung in der Nacht zum Sonntag bereits den Notstand ausgerufen und eine allgemeine Ausgangssperre verhängt. Kitas, Schulen, Universitäten, Restaurants, Bars und Geschäfte außer Supermärkte, Tankstellen und Apotheken sind geschlossen.

Bürger dürfen das Haus nur noch verlassen, um zur Arbeit, zur Apotheke und zum Arzt zu gehen oder um lebensnotwendige Besorgungen zu machen. Die Maßnahme gilt zunächst 15 Tage lang. Doch Gesundheitsminister Salvador Illa deutete bereits eine Verlängerung von bis zu einem Monat an. Polizei und Armee kontrollieren auf den Straßen die Einhaltung der Ausgangssperre.

Nach Italien ist Spanien mit über 11.000 Infizierten (Stand 18. März) das Land mit den meisten Coronavirus-Fällen in Europa. Das Virus breitet sich besonders schnell in Katalonien, im nordspanischen Baskenland und im südlichen Andalusien aus. Dramatisch ist die Lage in Madrid.

Mindestens drei Wochen abwarten

Die Notstand-Maßnahmen sollen dazu dienen, vor allem die Krankenhäuser zu entlasten, welche aufgrund der Coronavirus-Patienten langsam an ihre Grenzen stoßen. „Doch bis die Ausgangssperre eine Wirkung zeigt, dürfte mindestens eine weitere Woche vergehen“, erklärt Manuel de Castro, Vorsitzender der Madrider Krankenhausärzte-Gewerkschaft AMYTS.

Damit das Gesundheitssystem nicht kollabiere, müssten neben der strikten Einhaltung der Ausgangssperre vor allem die Krankenhäuser besser ausgerüstet werden.

„Es fehlt auf den Intensivstationen beispielsweise an Beatmungsmaschinen, die dringend notwendig sind für die Behandlung von schweren Covid-19-Erkrankungen“, so de Castro. Zudem brauche man dringend Schutzkleidung und Masken. „Viele Ärzte und Krankenpfleger haben sich bereits angesteckt und fallen aus“, versichert der Allgemeinmediziner und Ärzte-Gewerkschaftsvorsitzende.

Militärkrankenhäuser helfen mit

Das Gesundheitsministerium verpflichtete im Rahmen des Ausnahmezustands bereits Militärkrankenhäuser und Privatkliniken zur Aufnahme von Infizierten.

Auch Unternehmen, die Schutzmasken und klinisches Material herstellen, mussten sich beim Gesundheitsministerium obligatorisch melden und können in die Pflicht genommen werden.

Hotels stellen Zimmer zur Verfügung, die medizinisch genutzt werden können, während die Armee teilweise Hotelbetten in Kliniken transportiert.

Unterdessen versuchen sich die Krankenhäuser zu helfen wie sie können. Die meisten Operationen werden verschoben. Auch Ärzte wie Urologen, Orthopäden oder anderer Fachrichtungen müssen in den Notaufnahmen und Intensivstationen bei der Betreuung von Infizierten helfen.

Seit Tagen im Dauereinsatz

Hospitäler richten provisorisch neue Räume ein, um Erkrankte zu isolieren. „Die Umfunktionierung von Krankenplätzen für Patienten mit schweren Covid-19-Symptomen ist aber nicht einfach“, erklärt Jorge Cabello, Lungenarzt am Madrider Hospital Clínico San Carlos. Cabello ist schon seit Tagen im Dauereinsatz.

„Wir kommen an unsere Grenzen. Nicht nur wegen der hohen Patientenzahl, sondern auch der physische und psychologische Druck ist enorm. Die Behandlung von Covid-19-Patienten ist intensiv, die Angst vor Ansteckung groß“, so Cabello.

Noch ist Luft. Spanien verfügt über 4627 Intensivbetten, 540 Plätze in Madrid. Die Kapazitäten werden bald ausgeschöpft sein, versichert Ärzte-Gewerkschaftspräsident Manuel de Castro. Die Regierung habe zudem sehr spät auf die sich ausufernde Epidemie reagiert. E

r hofft, dass die Verbreitung des Coronavirus bald an Fahrt verliert. Doch das wird nicht vor dem 15. April erwartet, so Gesundheitsminister Illa. Bis dahin müssen Ärzte wie Eduardo Díaz und Jorge Cabello tun, was sie können.

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