Expertenkomitee des Europarats

Unhaltbare Zustände in bulgarischer Psychiatrie

Der Europarat kritisiert schwere Hygienemängel und körperliche Züchtigungen bei der Behandlung psychisch Kranker. Bulgarien ist notorisch bekannt für schwerste Verstöße. Notwendig sei ein „radikaler Wandel“.

Veröffentlicht:

Straßburg. Experten des Europarats haben schockierende Missstände bei der Behandlung psychisch Kranker in Bulgarien angeprangert. Die Vorwürfe umfassen körperliche Züchtigungen, unhaltbare hygienische Zustände und Freiheitsentzug, wie aus einem Bericht des Anti-Folterkomitees des Europarats hervorgeht.

So sei es üblich, dass Patienten in Psychiatrien oder anderen Einrichtungen getreten, geohrfeigt und mit Stöcken geschlagen würden. Stöcke seien offenbar eine Art Standardwerkzeug für die Mitarbeiter dort und würden immer wieder in deren Büros gefunden, heißt es in dem Bericht.

Menschen in Psychiatrien hausten zudem nicht selten in „dreckigen Schlafräumen, dreckigen Betten, umgeben von einem durchdringenden, widerlichen Gestank nach Urin und übersät von Fliegen, die auf ihnen herumkrabbeln“, teilte das Komitee mit und nannte die Zustände unmenschlich und erniedrigend.

Illegalerweise würden Bewohner der Einrichtungen außerdem weiterhin fixiert und isoliert. Zwar seien beim jüngsten Besuch der Experten keine Metallketten mehr gefunden worden – im Gegensatz zu früheren Jahren. Aber es gebe weiterhin übereinstimmende Berichte der Patienten darüber, dass sie tagelang an ihre Betten gefesselt würden und gezwungen seien, in Inkontinenz-Unterlagen zu urinieren und zu defäkieren.

14 Kontrollbesuche des Komitees – kaum Erfolge

Auch berichten laut dem Komitee Bewohner davon, dass ihre Hände oberhalb ihres Kopfes fixiert worden seien. Das führe zu Schmerzen, Schwellungen und Gefühlsverlust. Das Expertenkomitee des Europarats war nach eigenen Angaben seit 1995 14 Mal in Bulgarien und bemängelte immer wieder die Zustände in den Psychiatrien und ähnlichen Einrichtungen. Dennoch gebe es wenig oder keinen Fortschritt.

Die bulgarischen Behörden müssten nun einen „radikalen Wandel“ anstoßen, nicht nur innerhalb der Einrichtungen: Psychisch Kranke dürften nicht weiter stigmatisiert und an abgeschiedenen Orten versteckt werden.

Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg ist gemeinsam mit seinem Gerichtshof für die Wahrung der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten, darunter auch Russland und die Türkei, zuständig. Er ist kein Organ der Europäischen Union. (dpa)

Mehr zum Thema

Kritik an „Suizidtourismus“ in den USA

Mehrere US-Bundesstaaten wollen Beihilfe zum Suizid erlauben

„Mehr Ernsthaftigkeit“ nötig

Drogenbeauftragter für härteren Kurs gegen das Rauchen

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Stigmatisierung von Depressionen

© Getty Images/iStockphoto

Häufige Vorurteile

Stigmatisierung von Depressionen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“