Schleswig-Holstein

Unterwegs mit der mobilen Corona-Ambulanz

Ein Busunternehmer aus dem Hunsrück bietet KVen seine Fahrzeuge als mobile Abstrichzentren an. In Schleswig-Holstein ist bereits einer der Busse unterwegs – den Dienst übernehmen eine Studentin und eine frisch approbierte Ärztin.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Medizinstudentin Paula Wiens unterstützt die Ärztin bei der Organisation.

Medizinstudentin Paula Wiens unterstützt die Ärztin bei der Organisation.

© Dirk Schnack

Flensburg. Am Steuer von Reisebussen hat Helmut Boor viele Menschen in Metropolen und zu Sehenswürdigkeiten in ganz Europa gebracht. Weil Fahrten zum Eiffelturm oder zum Petersdom derzeit weder gefragt, noch gesundheitlich vertretbar sind, haben Boor und sein Bus derzeit andere Aufgaben: Boor fährt die erste mobile Corona-Ambulanz in Schleswig-Holstein.

Morgens gegen 9 Uhr sammelt Boor am Kieler Bahnhof Paula Wiens ein. Die Medizinstudentin ist mit dem Zug aus Lübeck angekommen, wo sie gerade das erste Semester Medizin hinter sich gebracht hat. Sie hat sich bei der KV Schleswig-Holstein als Freiwillige für die Hilfe im Kampf gegen Corona gemeldet.

Die mobile Corona-Ambulanz
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Unterwegs mit der mobilen Corona-Ambulanz
Der Ambulanz-Bus im Einsatz: Medizinstudentin Paula Wiens (links), Ärztin Annika Hempelmann und Busfahrer Helmut Boor.

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Unterwegs mit der mobilen Corona-Ambulanz
Von der Straße aus wird auf das mobile Abstrichzentrum hingewiesen.

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Unterwegs mit der mobilen Corona-Ambulanz
Ärztin und Medizinstudentin haben gleich Kontakt mit mutmaßlich Infizierten. Vorher wird Schutzkleidung angelegt.

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Das Team der mobilen Corona-Ambulanz: Medizinstudentin Paula Wiens (links) und Ärztin Annika Hempelmann mit Busfahrer Helmut Boor.

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Unterwegs mit der mobilen Corona-Ambulanz
Ärztin und Medizinstudentin haben gleich Kontakt mit mutmaßlich Infizierten. Vorher wird Schutzkleidung angelegt.

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Abstrich durch das Autofenster - Ärztin Annika Hempelmann hält sich streng an die Vorgaben des RKI.

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Zwei Sicherheitsmänner sorgen für Sicherheit und passen auf, dass nur die Angemeldeten Zufahrt zur Corona Ambulanz erhalten.

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Dann fährt Boor den Bus auf das Gelände des Kieler Labors Dr. Krause. Auch Ärztin Annika Hempelmann trifft hier ein. Seit Dezember ist sie fertig mit dem Studium und schreibt noch an ihrer Doktorarbeit. Sie klingelt am Haupteingang des Labors, um sich Material aushändigen zu lassen: Ein Koffer voll mit Röhrchen für Abstriche. Schutzkleidung, Desinfektionsmittel, Kartelesegerät und weiteres Material befinden sich im Bus.

„Ich wollte mich nützlich machen“

Damit ist das Einsatzteam komplett: Ein Busfahrer, eine Studentin, die auf ihr zweites Semester Medizin wartet und eine frisch approbierte Ärztin – nicht viel, aber genug Erfahrung für die Aufgabe, die vor ihnen liegt: Abstriche nehmen von Menschen, die eine Infizierung befürchten.

„Ich wollte mich nützlich machen, weil ich Zeit habe“, lautet die schlichte Begründung für Hempelmanns Hilfe. Es ist ihr zweiter Tag in diesem neu geschaffenen Angebot der KV.

Die Körperschaft hat zwar landesweit zehn Diagnostikzentren aufgebaut, damit Abstriche genommen werden können. Aber nicht in allen Orten ist dieser Aufbau auf die Schnelle möglich. Deshalb kam das Angebot der Bohr Omnibus GmbH aus dem Hunsrück zur richtigen Zeit.

40 Busse könnten unterwegs sein

Boors Chef hat rund 40 Reisebusse, die derzeit keine Ziele ansteuern können. Das Unternehmen bietet deshalb den Einsatz von Bussen als mobile Abstrichzentren an. Sitze werden größtenteils entfernt, Desinfektionsspender angebracht, Tische eingebaut. Hinzu kommt ein mobiler Heizofen - damit ist das Inventar komplett.

Als Zielort für die ersten Tage hat die KV Flensburg ausgewählt. Ein Parkplatz in einer ruhigen Wohngegend, von der Straße kaum einsehbar. Lange Schlangen ungeduldiger Menschen, die auf einen Abstrich warten? Fehlanzeige, obwohl ein Schild den Weg zum Bus („Corona Ambulanz“) weist.

Vor dem Parkplatz stehen Absperrungen und zwei Männer eines Sicherheitsdienstes. Sollten sich Menschen Zutritt verschaffen wollen, die nicht auf das Gelände gehören, werden sie dies verhindern. „Bislang gab es keine Probleme“, berichten sie. Angst, sich selbst anzustecken, wenn täglich mutmaßlich Infizierte Einlass begehren? „Überhaupt nicht, wir halten Abstand“.

KV teilt Termine ein

Das Team im Bus kann in aller Ruhe sein Material sortieren, Schutzkleidung überstreifen und sich vorbereiten. Sie wissen, dass die ersten Menschen erst gegen 11 Uhr eintreffen und kennen auch schon die Namen.

Die Mitteilung erhält das Team per SMS. Eingeteilt werden die Menschen, die einen Abstrich benötigen, von der Leitstelle der KV in Bad Segeberg. Dort melden sich die Menschen unter 116117, wenn sie eine Infektion befürchten. Die Leitstelle entscheidet nach Vorgaben des Robert Koch-Institutes, ob ein Abstrich erforderlich ist und wo dieser erfolgt. Wer aus Flensburg oder Umgebung kommt, wird zu diesem Parkplatz beordert.

Den ersten Termin an diesem Tag hat ein Mädchen erhalten, das im Auto von der ganzen Familie begleitet wird. Die Mutter ist besorgt und froh zugleich, dass sie bald Gewissheit haben. „Am liebsten würde ich uns gleich alle testen lassen“, sagt sie.

Die Sicherheitsleute haben sie auf einen ausgewiesenen Parkplatz direkt neben den Bus beordert und ihnen gesagt, dass sie das Auto nicht verlassen sollen. Hempelmann und Wiens kommen an die Beifahrertür, lesen die Karte ein, gleichen die Daten ab und fragen nach den Symptomen. Dann geht die zweite Scheibe hinten herunter und die Tochter muss den Mund weit öffnen - der erste Abstrich für heute.

Sorgen der Patienten werden ernst genommen

Obwohl das zweite Auto wartet, bespricht Hempelmann noch in aller Ruhe mit der Mutter über deren Wunsch nach Abstrichen für die ganze Familie.

Sie lässt sich Symptome und Umstände genau schildern und entscheidet dann, dass bei der Mutter ebenfalls ein Abstrich nötig ist. Die Frage, die Hempelmann an diesem Tag nach jedem Abstrich wird beantworten müssen: „Wann bekommen wir das Ergebnis?“

Zwei bis drei Tage, lautet die Antwort. „Wir waren seit den ersten Symptomen nur zu Hause und bleiben da auch bis zum Ergebnis“, erzählt die Mutter, während Wiens und Hempelmann die ersten Proben des Tages im Bus verschließen, kennzeichnen und verwahren.

„Das funktioniert hier ja reibungslos“

Die zweite Besucherin hat seit vier Tagen Symptome und eine Arbeitskollegin, die schon positiv getestet wurde. Der Hausarzt hat ihr geraten, einen Abstrich vornehmen zu lassen.

Die nächste kommt zu Fuß und stellt sich ebenfalls auf den ausgewiesenen Parkplatz. So geht es hintereinander weg, ohne dass Andrang entsteht. Als „entspannt“ empfindet Hempelmann ihre Arbeit. Ermöglicht wird das durch die Vorsortierung der Klientel durch die Leitstelle.

Der nächste Besucher ist angetan von der Organisation. „Das funktioniert hier ja reibungslos und unkompliziert“, wundert er sich. Andererseits nimmt er auch die Absperrungen und das Sicherheitspersonal mit Schutzmasken wahr – „ein wenig gespenstisch ist es auch“, räumt er ein.

Acht Stunden lang nichts als Abstriche

Acht Stunden lang werden Menschen wie er an diesem Tag vor dem Bus vorfahren und einen Abstrich machen lassen. Dann räumt das Hilfsteam ein und fährt zurück nach Kiel.

Zurück am Kieler Labor deponiert Hempelmann die Proben gegen 21 Uhr am vereinbarten Platz. Am nächsten Tag nehmen die Labormitarbeiter die Tests vor, damit die Menschen Gewissheit haben.

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