Gesundheitswirtschaft

Venture-Fonds der PKV nimmt Fahrt auf

Auch die privaten Krankenversicherer wollen Versorgungs-Innovationen fördern. Neun Start-ups haben schon Geld erhalten.

Von Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Wer als Start-up strategischeund politische Ziele der PKV verfolgt, kann mit Fördermitteln aus dem Venture-Capital-Fonds Heal Capital rechnen.

Wer als Start-up strategischeund politische Ziele der PKV verfolgt, kann mit Fördermitteln aus dem Venture-Capital-Fonds Heal Capital rechnen.

© B. Wylezich / stock.adobe.com

Köln. Mit dem Venture-Capital-Fonds Heal Capital streben die privaten Krankenversicherer (PKV) primär keine finanzielle Rendite an. Vielmehr geht es ihnen um strategische und politische Ziele.

„Wir wollen das bereitgestellte Kapital in der öffentlichen und politischen Positionierung in den Vordergrund stellen und die Digitalisierung des Gesundheitswesens stärken“, sagte Bastian Biermann, Leiter der Stabsstelle Europa und Sonderprojekte im PKV-Verband, bei einer Online-Veranstaltung des Verbands am Mittwoch. Heal Capital tätige ausdrücklich nicht nur Investitionen, die in die PKV-Versorgung fließen, stellte Biermann klar.

Zielmarke 100 Millionen Euro

Heal Capital ist im September 2019 vom PKV-Verband auf den Weg gebracht worden, um digitale Gesundheitsinnovationen zu fördern. Im Januar 2021 hatte der Fonds sein Zielvolumen von 100 Millionen Euro erreicht. 22 PKV-Unternehmen haben in ihn investiert. Dass die Branche in diesem Bereich an einem Strang zieht, wertet Biermann als starkes Signal.

Inzwischen sei auf der Suche nach lohnenden Investitionen eine hohe vierstellige Unternehmensanzahl geprüft worden. Bislang hat der Fonds neun Investments getätigt. Zwei sind noch frisch und nicht spruchreif. Die sieben bekannten Unternehmen und ihre Schwerpunkte sind:

  • Siilo: ein Messaging-System für Ärzte,
  • Infermedica: effektive Patientenversorgung mit Hilfe künstlicher Intelligenz,
  • Ceregate: softwarebasierte Hilfe bei Parkinson,
  • Actio: eine Coaching-App zur Einübung gesunder Gewohnheiten,
  • Avi Medical: Hausarztpraxen mit digitaler Anbindung,
  • Moray Medical: Roboter-Katheter für Eingriffe am Herzen
  • LivNao: Früherkennung psychischer Belastungen.
  • Heal Capital habe die zweite Finanzierungsrunde für Avi Medical angeführt, sagte der Gründer und Vorstandschef Vlad Lata. „Darüber waren wir sehr froh.“ Das Start-up setzt auf ein hybrides Modell der Hausarztpraxis, also die Kombination von Patientenversorgung vor Ort und digitalen Versorgungselementen. (wir berichteten)

Jüngere Mediziner besonders interessiert

Das Unternehmen betreibt drei Praxen in München, die vierte und fünfte sollen demnächst hinzukommen. Avi Medical will bundesweit Fuß fassen und strebt bis zu 100 Praxen an. „Wir haben einen Kassensitz in Berlin gekauft und Ärzte angestellt.“ Bislang arbeitet Avi Medical mit 12 angestellten Ärztinnen und Ärzten, in diesem Quartal sollen 20 weitere hinzukommen.

Man habe viele Bewerbungen erhalten, vor allem von jüngeren Ärztinnen und Ärzten, berichtete Firmengründer Lata. „Sie suchen eine moderne Arbeitsumgebung, in der sie die Tools nutzen können, die sie auch im Alltag nutzen.“ Auch bei den Patienten komme das neue Angebot gut an.

„Sie fragen sich, warum sie diese Möglichkeiten nicht schon längst hatten.“ Nach wie vor kommen die Patienten meist in die Praxen vor Ort. „Wir würden ihnen gern zeigen, dass sie weniger kommen müssen.“

Trend-Sektor „Femtechs“

Eckhardt Weber, Managing Partner von Heal Capital, bezeichnete Avi Medical als „sehr anspruchsvolles Unterfangen“. „Das ist etwas, was den Gesundheitsmarkt in Deutschland nachhaltig verändern kann.“

„Wir wollen Steigbügelhalter in den Gesundheitsmarkt sein“, erläuterte Weber. Der Fonds investiere in frühen Phasen in spannende neue Tech-Unternehmen der Gesundheitswirtschaft. Die Kriterien für ein Investment seien ähnlich wie bei anderen jungen Digital-Unternehmen. So sollten die Firmen das Potenzial haben, nach fünf bis sieben Jahren um die 100 Millionen Euro Jahresumsatz zu erwirtschaften.

Heal Capital investiert laut Weber über drei bis vier Jahre in die Firmen. „Wir erwarten, in zehn, spätestens zwölf Jahren unser gesamtes Geld wieder an unsere Investoren zurückzahlen zu können.“ Zu den wichtigen Trends auf dem Markt gehörten das Angebot digitaler Lösungen, die Patienten von der Früherkennung bis zur Nachsorge ohne Systembrüche begleiten, sowie der Bereich der Frauengesundheit, die sogenannten Femtechs. „Femtechs sind ein Gebiet, in dem Heal Capital ein großes Potenzial sieht“, so Teammitglied Hana Besbes.

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