Unabhängige Patientenberatung Deutschland
Versicherte oft falsch beraten? Patientenschützer wollen Ärzte einbinden
Versicherte müssen besser über ihre Rechte gegenüber Kassen informiert werden, fordern Patientenberater. Und: Ärzte und Apotheker sollen im Vorhinein unterstützend zur Seite stehen.
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Häufige Praxis: Kassen fordern Antragsteller auf, ihren Widerspruch gegen einen ablehnenden Leistungsbescheid zurückzunehmen.
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Berlin. Die Kassen beachten bei ihren Leistungsbescheiden und in Widerspruchsverfahren die gesetzlichen Vorgaben offenbar nach wie vor nicht ausreichend. Noch in diesem Jahr will die Patientenbeauftragte der Bundesregierung mit Vertretern der Krankenkassen und der Leistungserbringer über die „Problemlagen“ diskutieren.
Das hat Professorin Claudia Schmidtke der Ärzte Zeitung“ auf Anfrage mitgeteilt. Eine Möglichkeit der Abhilfe sei, die Kassen zu verpflichten, „Informationen zu ihrer Bewilligungs- und Ablehnungspraxis zur Verfügung zu stellen“, so Schmidtke.
Ärzte und Apotheker sollen helfen
Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) stehen dazu ebenfalls in Gesprächen. „Aus unserer Sicht ist es wünschenswert, wenn Ärzte und Apotheker Patienten und Kunden Möglichkeiten aufzeigen könnten, sich in Widerspruchsverfahren zu behaupten“, sagte UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede der „Ärzte Zeitung“.
Ärzte verordnen Heil- und Hilfsmittel. Klassische Beispiele sind Rollatoren und Duschstühle. Die Patienten beantragen dann bei ihrer Kasse die Kostenübernahme für diese Alltagshelfer. Nicht selten lehnen die Kassen die Anträge ab. Und oft wahren sie dabei die Form nicht.
Für 2016 hat die UPD insgesamt knapp 30 000 Fälle dokumentiert, in denen Antragsteller von den Kassen falsch oder unvollständig beraten worden sind. 2018 hatten die UPD-Berater schon allein in Sachen Widerspruchsbescheid 12 550 Betroffene aufzuklären. Im ersten Halbjahr 2019 verzeichnet die UPD wiederum einen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Dunkelziffer gilt als hoch.
Eine häufig geübte Praxis dabei ist, dass Antragsteller aufgefordert werden, Widersprüche gegen einen ablehnenden Leistungsbescheid zurückzunehmen. Grund: Der Widerspruch habe keine Aussicht auf Erfolg. Einen offiziellen Anstrich sollen Widerspruchsrücknahmeformulare vermitteln, die der Kassen-Post beiliegen. Das Bundesversicherungsamt hat in einem 2018 veröffentlichten Bericht darauf hingewiesen, dass dies „sehr häufig“ geschehe.
Kassen versäumen Rechtsbelehrung oft
Zudem versäumten die Kassen oft von vorneherein, ihre Kunden über ihre Rechte, zum Beispiel die einer kostenfreien Klage vor dem Sozialgericht, zu informieren. Manche gäben nicht einmal wie vorgegeben die zuständige Aufsichtsbehörde samt Kontaktmöglichkeiten in ihrem Internetauftritt an. Mit den Ablehnungen tauchen die Patienten dann bei den verordnenden Ärzten auf. „Das sind Fälle, die wir immer wieder erleben“, sagte Krumwiede.
30 000 Fälle hat die Unabhängige Patientenberatung im Jahr 2016 dokumentiert, in denen Antragsteller falsch oder unvollständig von Krankenkassen beraten worden sind.
Sein Ziel ist, Ärzte und Praxispersonal für das Problem zu sensibilisieren. Wie oft Ärzte tatsächlich mit ablehnenden Bescheiden zu ihren Verordnungen konfrontiert sind, kann Krumwiede nicht quantifizieren. Die KBV wollte dazu keine Stellung beziehen. Krumwiede berichtet, dass UPD und KBV übereingekommen seien, noch in diesem Jahr zu testen, inwieweit Praxen im Alltag auf die Dienste der Patientenberater verweisen können. Auch auf die Apotheker will Krumwiede zugehen.
Wenn Menschen Hilfsmittel benötigten, sei die Beratung durch Ärzte, Apotheker und Angehörige anderer Gesundheitsberufe eine wichtige Unterstützung. „Ich halte es jedoch für wenig zielführend, die Leistungserbringer in das Widerspruchsverfahren zwischen Kassen und Versicherten regelhaft einzubeziehen“, so Schmidtke.
Versicherte hätten die Möglichkeit, die Entscheidung der Kasse mittels Widerspruch und Klage „kostenfrei und niedrigschwellig“ überprüfen zu lassen. Wichtiger als die Konfliktlösung per juristischer Auseinandersetzung erscheine ihr jedoch das transparente Handeln im Vorfeld. Dazu gehörten neutrale Informationen und Beratungsangebote, auch die der UPD, sagte Schmidtke.
Die UPD hat die gesetzlich vorgegebene Beratungstätigkeit Anfang 2016 übernommen. Der Wechsel war Ergebnis einer europaweiten Ausschreibung. Zuvor war die UPD vom Verbraucherzentrale Bundesverband, dem Sozialverband VdK und weiteren Beratungseinrichtungen wahrgenommen worden. Die aktuelle UPD gehört zur Careforce Sanvartis Holding. Sie verfügt bis 2023 über ein Gesamtbudget von 63 Millionen Euro. Mit knapp 130 000 Beratungen im Jahr 2018 liegt die UPD nach wie vor deutlich hinter dem selbst gesteckten Ziel von 225 000 Beratungen im Jahr zurück.