Für die Medizin der Zukunft
Versorgungsforscher sind Diplomaten
Mithilfe der Versorgungsforschung soll im Gesundheitswesen Vieles optimiert werden. Gelingen kann das nicht allein mit guter Wissenschaft - es erfordert auch Offenheit aller Beteiligten.
Von Thomas Meißner
KÖLN. Die moderne medizinische Versorgung der Bevölkerung muss geplant und organisiert sein. Das jedoch funktioniert nur mit Transparenz im Gesundheitswesen.
Unter anderem deshalb, sagt Professor Holger Pfaff, hatte es Versorgungsforschung in Deutschland in der Vergangenheit schwer.
Denn Transparenz, zumindest in dem Maße wie sie notwendig ist, wollten vor Jahren viele der Beteiligten nicht haben, so der geschäftsführende Direktor des Zentrums für Versorgungsforschung Köln (ZVFK).
Inzwischen sei man ein großes Stück weiter, so Pfaff: "Der Durchbruch ist gelungen!" Versorgungsforschung ist in aller Munde.
Das beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass die Organisatoren des Internistenkongresses 2013 Versorgungsforschung zu einem zentralen Thema gemacht haben.
Manches Ergebnis der Versorgungsforschung überrascht und belegt ihre Notwendigkeit, wie Pfaff an einem Beispiel erläutert: "Bei Untersuchungen zur Umsetzung von Behandlungsleitlinien bei Bluthochdruck haben wir einerseits festgestellt, dass viele Ärzte diese Leitlinien gar nicht kennen. Andererseits haben selbst viele jener Ärzte, die sie gut kannten, ebenso gehandelt wie die, die nicht Bescheid gewusst haben."
"Der Arzt ist der Spezialist für Interventionen in den menschlichen Körper"
Wolle man also neue Therapieprinzipien zügig in die Praxis überführen, genüge es nicht, nur das Wissen darum zu vermitteln. Eingeschliffene Routinen und Organisationsformen zum Beispiel würden ebenfalls verhindern, dass sich moderne Diagnose- und Behandlungsmethoden durchsetzten.
Damit wird klar: Versorgungsforschung ist nicht nur medizinische, sondern ist auch soziologische und psychologische Forschung.
Die Arztpraxis und das Krankenhaus sind soziale Systeme, deren Organisationsformen gegebenenfalls verändert werden müssen, ebenso wie sich das Denken verändern muss, will man bestimmte Ziele im Gesundheitswesen erreichen.
"Der Arzt ist der Spezialist für Interventionen in den menschlichen Körper. Der Soziologe ist der Spezialist für Interventionen in das soziale System. Und der Psychologe ist der Spezialist für das Denken.
Sie müssen mindestens alle drei an einen Tisch bringen, um ein konkretes Versorgungsproblem zu lösen!", bringt es Pfaff auf den Punkt und verdeutlicht damit, ohne es auszusprechen: Versorgungsforscher sind die Diplomaten unter den Wissenschaftlern.