DGIM-Kongress

Versorgungsforschung wird zum Internistenthema

Versorgungsforschung wird auch für Niedergelassene zunehmend ein Thema. Warum das so ist, erklärt die Präsidentin des 119. Internistenkongresses, Professor Elisabeth Märker-Hermann im Interview.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Versorgungsforschung wird zum Internistenthema

© privat

Ärzte Zeitung: Frau Professor Märker-Hermann, die Versorgungsforschung als Thema für einen DGIM-Kongress ... das klingt zunächst einmal sehr trocken. Warum sollten Kongressteilnehmer diese Sitzungen besuchen?

Prof. Elisabeth Märker-Hermann: In der Tat ging mir das genauso, bis ich dann einmal auf die Homepage des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung, kurz DNVF, geschaut und deren Kongressprogramme gesehen habe.

Versorgungsforschung ist ja per se bereits interdisziplinär angelegt und versucht in den Grenzgebieten zwischen Fachwissen, Epidemiologie und Sozialmedizin wirklich brennende Fragen zu beantworten, auf die wir dringend Antworten brauchen, um in unserem Gesundheitssystem weiterzukommen.

Wie groß ist der Bedarf an spezifischer fachärztlicher Versorgung in welcher Region Deutschlands? Welche Krankheiten kann der Allgemeininternist behandeln? Wer sollte zuständig sein für Patienten mit metabolischem Syndrom?

Wie sollte im besten Fall die Koordination zwischen ambulanter und stationärer Versorgung beim chronisch-kranken, multimorbiden Patienten sein?

In der Strukturkommission der DGIM wollen wir, koordiniert von der Versorgungsforschung, Fragen zur Multimorbidität in der Inneren Medizin beantworten. So etwas hat in den angloamerikanischen und skandinavischen Ländern bereits eine lange Tradition. Bei uns dringt das Thema Versorgungsforschung ebenfalls langsam durch.

Inwiefern betreffen bereits heute Versorgungsforschungsthemen den praktischen Alltag von Ärztinnen und Ärzten?

Ein Beispiel aus der Rheumatologie sind die Patientenregister, etwa für Biologika-Therapien.

Damit erhalten wir industrieunabhängig Langzeitdaten zur Therapie von Patienten mit diesen Substanzen, zum Outcome, zu Nebenwirkungen, zur Tumorentstehung, Infektionshäufigkeiten.

Gerade in den Kliniken, aber auch in Schwerpunktpraxen wird es zunehmend zum Alltag gehören, dass aus Gründen der Qualitätssicherung und der Langzeitplanung der Versorgung Daten zu verschiedenen Krankheiten in solche Register eingepflegt werden müssen.

Telemedizin ist ein weiterer Kongress-Schwerpunkt, ein kontroverses Thema, wenn man an die elektronische Gesundheitskarte denkt. Wie stehen Sie zu telemedizinischen Anwendungen und künftigen Optionen?

Ich stehe der elektronischen Gesundheitskarte sehr positiv gegenüber, die Datenschutzprobleme sind meiner Ansicht nach lösbar.

Die Karte bietet große Chancen, Ressourcen effektiv zu nutzen, Doppel- und Dreifachuntersuchungen zu unterbinden, wenn nicht nur die Stammdaten gespeichert werden, sondern auch Laborwerte oder Befunde aus der Bildgebung.

Das schafft Transparenz sowohl für Patienten als auch für die Leistungserbringer. Der Patient verwaltet seine Daten, und die medizinische Information ist immer dort vorhanden, wo man sie benötigt.

Nun könnte man die Telemedizin als das genaue Gegenteil der persönlichen Arzt-Patienten-Beziehung begreifen ...

Das sehe ich nicht so, vielmehr ist Telemedizin eine willkommene Ergänzung. Gerade für chronisch Kranke und für Menschen, die nicht in Großstädten leben, bietet sie die große Chance, eine kontinuierliche Betreuung durch ihre Praxis zu erhalten, zum Beispiel für Patienten mit Herzinsuffizienz oder mit Herzrhythmusstörungen, mit Diabetes mellitus oder mit bestimmten Stoffwechselerkrankungen.

Ihnen wird über das Telemonitoring ihrer Krankheit Sicherheit gegeben und die Beziehung zur Praxis oder Klinik aufrechterhalten.

Der Nutzen ist für verschiedene Patientengruppen auch in Deutschland bereits geprüft und nachgewiesen worden. Ich bin zuversichtlich, dass man diese Technik in Zukunft weiterentwickeln wird.

Beim DGIM-Kongress wird man etwas zu Telemedizin und Herzinsuffizienz erfahren können. Hinzu kommen zwei große Symposien, die auf heute bereits mögliche praktische Anwendungen sowie auf die politischen und versorgungsmedizinischen Hintergründe eingehen werden.

Seit Jahren stehen besonders auch junge Kongressteilnehmer im Fokus des DGIM-Kongresses. Worauf dürfen sich diese freuen?

Seit fünf Jahren bieten wir das sehr erfolgreiche "Chances"-Programm an, so auch in diesem Jahr, und zwar an drei Tagen. Die Themen werden besonders junge Internisten in der Weiterbildung sowie Medizinstudenten interessieren.

Über die Fachschaften und Studiendekane haben wir viele Studierende zum Kongress eingeladen. Wir zeigen, was die Innere Medizin für junge Ärztinnen und Ärzte zu bieten hat, welche Schwerpunkte es innerhalb der Inneren Medizin gibt.

Eine große Podiumsdiskussion wird sich mit Frauen in der Inneren Medizin, in der Forschung, der Industrie sowie in den Medien beschäftigen sowie mit der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

In Zentren wird ja durchaus beklagt, dass der wissenschaftliche Nachwuchs knapp und es schwieriger wird, junge Kolleginnen und Kollegen für die Forschung zu begeistern ...

Dafür wollen wir natürlich ebenfalls werben. Das eine ist ja mit dem anderen verknüpft. Wenn 60 bis 70 Prozent der Berufsanfänger weiblich sind, dann müssen wir aus dieser Gruppe auch den wissenschaftlichen Nachwuchs, die zukünftigen Professorinnen gewinnen. Ansonsten würde es irgendwann eine Lücke geben, die wir nicht mehr füllen könnten.

"Chances" soll motivieren, Internist zu werden, aber auch Wissenschaft zu betreiben. So werden wir mit dem Young Investigator Award in elf verschiedenen Fachrichtungen die besten eingereichten Beiträge junger Wissenschaftler unter 35 Jahre auszeichnen. Dies beinhaltet auch einen Vortrags-Wettbewerb.

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