Tücken der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung

Vertragsärzte bei ASV im Nachteil

Vertragsärzte verfügen nicht über gleichlange Spieße in der ASV. Die Antragsverfahren überfordern die Praxen, die Vergütungssystematik kann Versorgung sogar gefährden, sagen Gutachter.

Von Anno Fricke Veröffentlicht:
Mit der Indikation Tuberkulose ist die ambulante spezialfachärztliche Versorgung vor acht Jahren gestartet.

Mit der Indikation Tuberkulose ist die ambulante spezialfachärztliche Versorgung vor acht Jahren gestartet.

© Gregor Fischer / dpa / picture alliance

Am 1. April 2014 startete die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV) mit der Indikation Tuberkulose. Vorausgegangen waren 2012 die Änderung des Paragrafen 116b des SGB V mit dem Versorgungsstrukturgesetz und die erste Fassung der ASV-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) im März 2013.

Ziel des Gesetzgebers war, einen von Vertrags- und Klinikärzten gemeinsam bespielten Versorgungsbereich zu schaffen. Das Bild von „gleichlangen Spießen“ war in der politischen Debatte seinerzeit in aller Munde.

Für neun komplexe, schwer zu therapierende Krankheiten und zehn Seltene Erkrankungen gibt es inzwischen die Möglichkeit der ASV. Und der Prozess ist in Bewegung: Karin Maag, im GBA als Unparteiisches Mitglied für die ASV zuständig, hat der Ärzte Zeitung gegenüber für Dezember die Einführung der ASV für Knochen- und Weichteiltumoren und für Multiple Sklerose in Aussicht gestellt.

Gut zehn Jahre nach der Entscheidung im Bundestag hat sich gleichwohl auch gewisse Ernüchterung breit gemacht.

Hartes Brot für Praxisinhaber

Für Vertragsärzte ist die ASV schwerer zu handhaben als für Klinikärzte mit den hinter ihnen stehenden Verwaltungsapparaten. Dies bestätigt die Statistik: 689 ASV-Teams sind aktuell aktiv. Lediglich 15 Prozent der Teams werden von Vertragsärzten geleitet.

Für Karin Maag ist das Potenzial der ASV „damit „leider noch nicht ausgeschöpft“. Dass die Teamleitungen meist bei Krankenhausärzten liegen, sei historisch bedingt und werde sich im Laufe der Zeit verschieben. „Mein bisheriger Eindruck ist, dass die Krankenhäuser organisatorisch und strukturell einen Vorsprung gegenüber den niedergelassenen Ärzten haben“, sagte Maag der Ärzte Zeitung auf Anfrage. Möglicherweise binde der Anmeldevorgang für ein interessiertes Team so viele Kapazitäten, dass nur Krankenhäuser oder große MVZ ihn stemmen könnten. Regional seien die Teams sehr unterschiedlich verteilt. Trotz der Öffnung für die niedergelassenen Ärzte werde die ASV noch zu selten ambulant oder sektorenübergreifend angeboten.

Es werde daher sehr genau geschaut, wo es im vertragsärztlichen Bereich hake. Der Gemeinsame Bundesausschuss sei bereits im Gespräch mit den Erweiterten Landesausschüssen.

ASV-Vergütung nach EBM in der Kritik

Beim Bundesverband ASV zeigt man sich „angesichts unseres föderalen Systems“ dagegen skeptisch, ob eine Entbürokratisierung und Vereinheitlichung des Anzeigeverfahrens realistisch sein kann.

Eine eigene Gebührenordnung, wie sie für die ASV vom Gesetzgeber eigentlich vorgesehen ist, lässt auch acht Jahre nach der Behandlung erster Patienten in der ASV auf sich warten. Wann sie kommen könnte, sei derzeit nicht absehbar, heißt es beim Verband.

Die Aufgabe, eine Vergütungssystematik für die ASV zu entwickeln und damit einheitliche Preise für Praxen und Kliniken, liege beim GKV-Spitzenverband, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft, betont Karin Maag.

Die Selbstverwaltungspartner wiederum tagen laut Auskunft des GKV-Spitzenverbands regelmäßig zu Fragen der ASV-Vergütung. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes sei der EBM für ambulante Leistungen ein sachgerechtes Vergütungssystem. Eine eigene Vergütungssystematik für die ASV sei nicht erforderlich.

Problemfall seltene Erkrankungen

Nach Erkenntnissen aus der vom Innovationsfonds finanzierten Evaluation der ASV (GOAL-ASV) ist der EBM dagegen keine adäquate Vergütungssystematik für die ASV. Die Versorgung von Patienten mit Seltenen Erkrankungen werde von der Fehlfinanzierung möglicherweise sogar gefährdet, hat der Projektleiter der Evaluationsstudie Professor Robert Dengler im Interview mit der Ärzte Zeitung angemerkt.

Im EBM gebe es keine Gesprächsziffern, die den erhöhten Gesprächsaufwand abbildeten. Fast alle Teams, die seltene Erkrankungen in der ASV behandelten, machten Defizite. Ohne Reform der Vergütungssystematik drohten viele Spezialambulanzen für seltene Erkrankungen zu schließen.

„Die inhaltlichen Herausforderungen, die das Projekt adressiert, seien bekannt, sagt Karin Maag. Das gelte auch für die von den hilfsweise genutzten EBM- Ziffern ausgehenden Gefährdungen. An dieser Stelle aktiv werden müssten nun aber andere.

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