Koalitionspläne

Warten auf Entlastung in der häuslichen Pflege

Ein unbürokratisches Entlastungsbudget, mehr Pflegegeld: Pflegebedürftige und deren Angehörige hoffen auf bessere Unterstützung – bislang vergeblich.

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Betreuung durch Angehörige: Die Bundesregierung hat Entlastungen für die Pflege zu Hause angekündigt.

Betreuung durch Angehörige: Die Bundesregierung hat Entlastungen für die Pflege zu Hause angekündigt.

© Felix Kästle / dpa / picture alliance

Berlin. Die Forderung nach einem flexibel nutzbaren Entlastungsbudget gleicht einem Evergreen in der pflegepolitischen Debatte. Politiker ganz unterschiedlicher Couleur werden nicht müde zu betonen, den neuen Leistungstopf rasch aufstellen zu wollen – pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige warten seit Jahren darauf.

Schon der Pflegebeauftragte der Großen Koalition ab 2018, Dr. Andreas Westerfellhaus, hatte gefordert, Pflegebedürftigen im häuslichen Setting zwei Budgets anzubieten: ein Pflege- und ein Entlastungsbudget. Die verschiedenen, teils verworrenen Leistungen der Tages- und Nachtpflege könnten dann „endlich flexibel und je nach Lebenssituation passend abgerufen werden“, so der CDU-Politiker.

Ein pflegepolitischer Evergreen

„Leistungen wie die Kurzzeit- und Verhinderungspflege fassen wir in einem unbürokratischen, transparenten und flexiblen Entlastungsbudget mit Nachweispflicht zusammen, um die häusliche Pflege zu stärken und auch Familien von Kindern mit Behinderung einzubeziehen“, heißt es auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien von Dezember 2021. Obendrein wollen SPD, Grüne und FDP das Pflegegeld „regelhaft“ dynamisieren. Passiert ist bisher – nichts.

Dabei wären Lösungen dringend angezeigt. Zwar haben pflegebedürftige Menschen und pflegende Angehörige Anspruch auf verschiedene Hilfen – etwa auf eine „Verhinderungspflege“, auf Unterstützung im Haushalt und in der Betreuung in Form eines „Entlastungsbetrags“ in Höhe von monatlich 125 Euro oder auf die „Kurzzeitpflege“.

Willkommen im Pflege-Dschungel

Problem: Für die Hilfen gelten ganz unterschiedliche Voraussetzungen, auch sind sie einzeln bei Kassen zu beantragen. Die Folge: Laut einer groß angelegten Studie von Wissenschaftlern der Hochschule Osnabrück im Auftrag des Sozialverbands VdK werden – je nach Art der Pflegeleistungen – zwischen 62 und 93 Prozent nicht abgerufen. Finanziell verfielen dadurch nahezu zwölf Milliarden Euro.

Dringenden Handlungsbedarf hat deshalb einmal mehr die Pflegebevollmächtigte der Ampelregierung, Claudia Moll, ausgemacht. Als Beispiel nennt die SPD-Politikerin und gelernte Altenpflegerin den Entlastungsbetrag von 125 Euro. Der sei „gut gedacht“, aber „leider nicht alltagstauglich“, erklärte Moll am Mittwoch in ihrer wöchentlichen Online-Botschaft.

Weniger Bürokratie, mehr Flexibilität

Moll verweist auf die bereits erwähnte VdK-Pflegestudie. Demnach rufen den Entlastungsbetrag aktuell nur 20 Prozent der Anspruchsberechtigten ab. „Deshalb brauchen wir endlich weniger Bürokratie und ein flexibel einsetzbares Entlastungsbudget, das möglichst viele Leistungen vereint“, so Moll.

Schritte, um die häusliche Pflege zu entlasten, sind auch in einer Vorlage für Klausursitzungen des SPD-Fraktionsvorstandes und der SPD-Fraktion in dieser Woche adressiert. „Zur Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen“, heißt es in dem Papier unter anderem, „werden wir den Umfang der Pflegesachleistungen, das Pflegegeld und den Entlastungsbetrag auf den Prüfstand stellen“.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat ebenfalls Verbesserungen für die Pflege durch Angehörige und durch ambulante Dienste angekündigt. Die über drei Millionen Pflegebedürftigen in der Häuslichkeit und die etwa fünf Millionen pflegenden An- und Zugehörigen dürften mit Interesse beobachten, ob und wann etwas daraus wird. Ankündigungen haben sie genug gehört. (hom)

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