Geplante Einsparungen
Warum der Griff in die Innovationsschatulle den G-BA-Chef nicht kalt lässt
Die Koalition will zwei Milliarden Euro einsparen, um die Krankenkassen zu entlasten. Im Visier ist auch der Innovationsfonds, dessen Förderung um 100 Millionen Euro gekürzt werden soll. Peanuts? Mitnichten, meint Innofonds-Vorsitzender Josef Hecken.
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„Zentrales Instrument zur Förderung neuer Versorgungsformen“: Professor Josef Hecken, Vorsitzender des Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss.
© Marco Urban
Berlin. Professor Josef Hecken hat verschiedene Hüte im hiesigen Gesundheitswesen auf. Er ist Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), und er ist Vorsitzender des beim G-BA angesiedelten Innovationsausschusses.
Dieser Ausschuss beaufsichtigt den Innovationsfonds, in den jährlich 200 Millionen Euro Beitragsmittel fließen. Mit dem Geld sollen sektorenübergreifende Projekte gefördert werden. Übergeordnetes Ziel ist es, neue Ideen aus der Probe- in die Regelversorgung zu überführen, damit möglichst viele der rund 75 Millionen gesetzlich Versicherten profitieren können.
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So weit, so gut. Mitte Oktober hat nun das Kabinett beschlossen, die Fördersumme des Innovationsfonds von 200 auf 100 Millionen Euro zu senken; die Finanzierung soll 2026 zudem vollständig aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds fließen. Der Schritt ist Teil eines Maßnahmenbündels, mit dem die Bundesregierung – kurzfristig – „für stabile GKV-Beiträge“ im nächsten Jahr sorgen will.
Bewährtes Instrument seit zehn Jahren
Insgesamt geht es um Einsparungen von zwei Milliarden Euro – angehängt ist das Ganze als Änderungsantrag zum Entwurf für ein Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege. An diesem Montag hört der Gesundheitsausschuss des Bundestages Sachverständige und Verbände zum „kleinen Sparpaket“ an.
Die Kritik daran ist laut – wenn auch unterschiedlich motiviert: Krankenkassen ist das Paket zu klein. Höhere Zusatzbeiträge ließen sich damit nicht vermeiden. Die Krankenhäuser beklagen, dass der ihnen abverlangte 1,8-Milliarden-Euro-Sparbeitrag „absolut unangebracht“ sei. Die Rede ist von „willkürlichen Preismoratorien“.
Auch beim Innofonds-Vorsitzenden Hecken stößt das Paket auf wenig Verständnis. Das Ziel, kurzfristig verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen und Beitragssätze stabil zu halten, sei zwar „nachvollziehbar“, schreibt Hecken in einer in der vergangenen Woche versendeten Stellungnahme. Ob sich dieses Ziel mit den vorgesehenen Schritten erreichen lasse, sei jedoch „zweifelhaft“.
Maschinenraum für Innovationen
Besonders stößt sich Hecken – wegen seines Huts als Innofons-Chef und damit direkt betroffen – an der Kürzung bei der Innovations-Schatulle. Völlig kontraproduktiv, ließe sich die zwischen den Zeilen geäußerte Kritik zusammenfassen.
So habe sich der Fonds seit seiner Einführung vor knapp zehn Jahren als zentrales Instrument zur Förderung neuer Versorgungsformen und versorgungsnaher Forschung etabliert. Patienten profitierten ganz unmittelbar – beispielsweise in der Intensivmedizin, die sich heute auch auf telemedizinische Lösungen stütze.
Notfallversorgung
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Diese, ruft Hecken in Erinnerung, habe sich in der Corona-Zeit bewährt und sei inzwischen als besondere Aufgabe der Zentren für Intensivmedizin mit klaren Anforderungen fest in den G-BA-Regelungen verankert. In der Notfallversorgung sorgten Strukturen wie der „Telenotarzt“ vielerorts dafür, dass medizinische Expertise früh eingebunden und die Versorgung „schneller und besser“ abgestimmt werden könne.
In der Prävention zeigten sich ebenfalls „Effekte“. Darüber hinaus habe der Innovationsfonds die „Leitlinienlandschaft in Deutschland“ spürbar gestärkt.
DEGAM: Koalition sollte den Schritt überdenken
Mit der Kritik steht Hecken nicht alleine da. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) stellt ihr Vorbehalte gar in den Zusammenhang mit einem Großprojekt der Koaltion: die Einführung eines Primärarztsystems. Die Kürzung beim Innofonds treffe „genau das Förderinstrument, das Grundlagen für kosteneffziente, ressourcenschonende und patientennahe Lösungen in der Primärversorgung“ schaffen könne.
Appell an die Fraktionen von Union und SPD, die jetzt am Zug sind: Sie sollten die Kürzung beim Innofonds „überdenken“, mindestens aber dafür sorgen, dass dies ein einmaliger Schritt bleibe – und sich der Griff in die Innovationsschatulle nicht über 2026 hinaus fortsetzt. (hom)





