Hintergrund

Was wird aus Obamas Gesundheitsreform?

Die Gesundheitsreform war eines der größten Reformvorhaben von US-Präsident Barack Obama. Was aus ihr wird, ist völlig offen - die Reform ist vor Gericht. Vier mögliche Szenarien.

Von Claudia Pieper Veröffentlicht:
Supreme Court: Die Richter müssen sich mit der US-Gesundheitsreform befasst.

Supreme Court: Die Richter müssen sich mit der US-Gesundheitsreform befasst.

© dpa

Verstößt die 2010 verabschiedete US-Gesundheitsreform gegen die amerikanische Verfassung oder nicht?

Vor allem ob die Regierung das Recht hat, ihren Bürgern eine Krankenversicherung vorzuschreiben, ist in den USA politisch und rechtlich hoch umstritten.

Über die Hälfte der Bundesstaaten reichten kurz nach der Verabschiedung Klage gegen das neue Gesundheitsgesetz ein - mit durchwachsenem Erfolg in den unteren Instanzen.

Jetzt hat der Oberste Gerichtshof eingewilligt, im nächsten Jahr über den Rechtsstreit zu entscheiden.

Wie könnte das Urteil des Obersten Gerichts aussehen, und was wären seine (gesundheits-)politischen Auswirkungen?

Szenario 1: Die Richter erklären das Gesetz für verfassungskonform. Ein solches Urteil würde für Präsident Obama kurz vor der Wahl eine wichtige Bestätigung bedeuten.

Die Verabschiedung der Gesundheitsreform war die Erfüllung eines seiner zentralen Wahlversprechen, und eine Validierung durch den Obersten Gerichtshof könnte das lädierte Image des Präsidenten als ökonomischer Problemlöser aufpäppeln.

Es ist allerdings schon jetzt klar, dass sich Obamas politische Gegner auch im Fall eines Urteils zugunsten der Reform nicht von ihren Plänen abhalten lassen werden, die Reform auf politischem Weg auszuhebeln.

Alle republikanischen Präsidentschaftskandidaten haben ihren Wählern versprochen, mit dem Kongress auf eine Aufhebung des Gesetzes hinzuarbeiten.

Szenario 2: Die Richter erklären die im Reformgesetz verankerte Versicherungspflicht für verfassungswidrig, lassen aber den Rest der Reform stehen.

Das würde vor allem für Versicherungen und Leistungsanbieter eine Krise heraufbeschwören. Sie hatten nämlich der Reform unter der Bedingung grünes Licht gegeben, dass ihnen die Versicherungspflicht rund 30 Millionen zusätzliche Klienten/Patienten bescheren würde.

Versicherungen können zum Beispiel unter dem neuen Gesetz nicht mehr Menschen wegen ihres Gesundheitszustands ablehnen, fallen lassen oder ihnen wesentlich höhere Beiträge abnehmen.

Müssten sich (fast) alle versichern, wäre das Risiko gut verteilt. Fällt die Versicherungspflicht dagegen weg, besteht die Gefahr, dass die Versicherungen auf den schlechten Risiken sitzen bleiben.

Politisch wäre dieses Szenario ein zweischneidiges Schwert. Einerseits könnte sich Obama rühmen, wenigstens einige wichtige Innovationen durchgesetzt zu haben.

Andererseits müssten neue Wege gefunden werden, die Zahl der 50 Millionen Nichtversicherten signifikant zu verringern. Hier haben die Republikaner bislang kein überzeugendes Konzept vorgelegt.

Szenario 3: Die Richter erklären die Versicherungspflicht für verfassungswidrig und kippen daraufhin das gesamte Gesetz.

Ein solches Urteil würde für Obama und die demokratische Partei eine schwere Niederlage kurz vor dem Wahlkampf bedeuten.

Politisch wäre es schwierig, bereits in Kraft getretene Reformregelungen rückgängig zu machen, so zum Beispiel die enorm populäre Möglichkeit, junge Erwachsene in die Krankenversicherung der Eltern aufzunehmen.

Szenario 4: Die Richter folgen dem Beispiel einer unteren Instanz und erklären den Rechtsstreit für verfrüht. Ein Gericht hatte nämlich geurteilt, dass eine Klage erst möglich sei, wenn der erste US-Bürger aufgefordert würde, wegen Missachtung der Versicherungspflicht eine Strafe zu zahlen.

Begründung: Im Rechtsstreit gehe es im Grunde um eine neue Steuer, und diese könnte erst zum Zeitpunkt der Erhebung gerichtlich angefochten werden.

Da aber die Versicherungspflicht erst 2014 in Kraft treten soll, könnte frühestens 2015 geklagt werden (wenn die Geldstrafe/Steuer eingefordert wird).

Ein solches Urteil wäre freilich nicht nur für alle Parteien unbefriedigend, sondern würde auch den Reformfortschritt durch jahrelange Rechtsunsicherheit behindern.

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