Berlin

Werden Unversicherte ausreichend behandelt?

Zu Warnstreik, Flashmob und Kundgebung für die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Krankenversicherung rufen die ehrenamtlichen Ärzte und Therapeuten des Medibüro Berlin auf. Die Initiative kritisiert die zögerliche Umsetzung des anonymen Krankenscheins durch die Clearingstelle.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:

BERLIN. Über den Effekt der Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung in Berlin gehen in der Hauptstadt die Meinungen auseinander.

Während die Gesundheitssenatsverwaltung die Fortschritte betont, kritisiert das Medibüro Berlin, dass der anonyme Krankenschein, der im Zusammenhang mit der Einrichtung der Clearingstelle etabliert werden sollte, immer noch nicht umgesetzt sei.

Die Organisation, die sich ehrenamtlich für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen und anderen Menschen ohne Krankenversicherung einsetzt, ruft für den 20. Juni zum Warnstreik mit Kundgebung vor der Gesundheitssenatsverwaltung auf.

„Wir gehen davon aus, dass der politische Wille fehlt, um Probleme energisch anzugehen und zu lösen“, so das Medibüro Berlin.

Gesundheit dürfe nicht angewiesen sein auf die Zeit, finanziellen Möglichkeiten oder die Motivation von Freiwilligen. Das Recht auf Gesundheit liege in sozialstaatlicher Verantwortung, heißt es in dem Aufruf.

Was passiert, wenn die Mittel nicht reichen?

Bei der Entwicklung des anonymisierten Krankenscheins hat das Medibüro der Gesundheitssenatsverwaltung nach eigenen Angaben kontinuierlich zugearbeitet. „Dennoch wurden zentrale Punkte, die wir eingebracht haben, nicht realisiert“, kritisiert die Initiative.

Der Schein könne nur bei wenigen kooperierenden Arztpraxen eingesetzt werden. Von einer flächendeckenden und niederschwelligen Versorgung sei Berlin damit weit entfernt. Unklar sei auch, was passiert, wenn der Fonds ausgeschöpft ist.

„Im Grunde sollte die Abrechnung über das Asylbewerberleistungsgesetz mit Datenschutz laufen und nicht über ein Fondsmodell mit begrenzten Mitteln. Dennoch darf die Angst davor, dass das Geld nicht reicht, die Bewilligung nicht ausbremsen“, sagte die Ärztin Dr. Jessica Groß vom Medibüro Berlin der „Ärzte Zeitung“.

Die ersten Kostenübernahmescheine in diesem Jahr sind nach Angaben der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am vergangenen Freitag ausgestellt worden.

Die Ausstellung ist an eine vorherige Beratung nach Terminvereinbarung geknüpft. Ein Kooperationsvertrag besteht bislang nur mit der Uniklinik Charité. Die Vertragsunterzeichnung mit Vivantes steht laut Gesundheitssenatsverwaltung bevor. Die Berliner Krankenhausgesellschaft habe zudem alle Krankenhäuser angeschrieben.

„In Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung soll die medizinische Behandlung bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in Berlin unbürokratisch erweitert werden“, kündigte die Gesundheitssenatsverwaltung in ihrem Bericht an den Senat am Dienstag an.

Senatorin ist zufrieden

„Die Arbeit der Clearingstelle ist schon jetzt sehr erfolgreich. Das erste Ziel ist es, Menschen in die Krankenversicherung zu bringen. Hier leisten die Mitarbeitenden der Berliner Stadtmission hervorragende Arbeit. Ich bin sehr froh, dass seit letzter Woche auch Menschen ohne Krankenversicherung eine medizinische Behandlung in Berlin bekommen können“, so Kalayci.

In diesem Jahr stellt der Senat rund 750.000 Euro für die Erstattung von Rechnungen nicht krankenversicherter Menschen bereit. Weitere Mittel sollen aus Spenden gewonnen werden.

Ob diese Mittel genügen, lässt sich nach Angaben der Gesundheitssenatsverwaltung in der Antwort auf eine Anfrage aus der Links-Fraktion im Abgeordnetenhaus mangels hinreichender Daten nicht prognostizieren. Im vergangenen Jahr haben die Berliner Krankenhäuser Leistungen im Wert von mehr als 1,6 Millionen Euro bei der Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung zur Erstattung geltend gemacht.

320 Menschen wurden schon beraten

In den ersten sieben Monaten ihres Bestehens hat die Clearingstelle laut Gesundheitssenatsverwaltung 320 Menschen beraten. Unter anderem Solo-Selbstständige, aber auch sehr viele Rentner suchten Rat. 122 Menschen wurden wieder in Krankenversicherungen vermittelt.

Bei 101 Menschen war es möglich, einen bestehenden Versicherungsschutz zu ermitteln. Bei 75 Ratsuchenden wird noch geklärt, ob Leistungsansprüche bestehen. Das könne unter Umständen mehrere Monate in Anspruch nehmen, so die Gesundheitssenatsverwaltung.

Bei nur 22 Anträgen habe die Prüfung bisher ergeben, dass aktuell keine Leistungsansprüche bestehen. Fast die Hälfte der Ratsuchenden war deutschstämmig (46 Prozent). 28 Prozent der Beratenen stammten aus Drittstaaten und 26 Prozent aus einem Land der Europäischen Union.

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