Zytostatika: Streit um Rezepturbegriff

Hinter dem Vorwurf, nicht zugelassene Arzneien zur Zytostatikaherstellung verwendet zu haben, verbirgt sich in der Holmsland Affäre noch ein anderer Zankapfel: Sind diese Zubereitungen denn überhaupt Rezepturen?

Ruth NeyVon Ruth Ney Veröffentlicht:
Die Zubereitung von Zytostatika in Apotheken unterliegt strikten behördlichen Kontrollen.

Die Zubereitung von Zytostatika in Apotheken unterliegt strikten behördlichen Kontrollen.

© Frey / imago

Für Professor Elmar Mand, Pharmarechtsexperte von der Uni Marburg ist klar: In Apotheken hergestellte Zytostatika sind Rezepturen. Damit durften die in der Holmland Affäre angeklagten Apotheker die benötigten Ausgangssubstanzen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten importieren, auch wenn wirkstoffgleiche Arzneimittel in Deutschland als zugelassene Fertigarzneimittel erhältlich gewesen wären.

Dass die Beklagten dabei die deutlichen Preisdifferenzen zwischen den EU-Ländern zu ihrem Vorteil nutzten, sei kein arzneimittelrechtliches Problem.

Krankenkassen warfen Zankapfel ins Feld

Dieser Ansicht sind zwar einige Gerichte gefolgt. So sprachen sowohl das Amtsgericht Syke in Schleswig Holstein als auch vor kurzem das Landgericht München zwei Apotheker vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz und mangels Täuschung auch von Betrugsvorwürfen frei.

Doch zumindest hinsichtlich der Betrugsstrafbarkeit gab es auch anderslautende Entscheidungen. Das letzte Wort wird deshalb erst der Bundesgerichtshof sprechen. Ursprünglich hatten die Krankenkassen - allen voran die AOKen - den juristischen Zankapfel ins Feld geworfen, dass es sich bei den Zytostatikazubereitungen gar nicht um Rezepturen gehandelt hat, wie Mand im Gespräch mit ApothekerPlus berichtet.

Nach ihrer Argumentation - und der seien auch Staatsanwaltschaften und einige Strafgerichte gefolgt - habe es sich um eine bloße Rekonstitution von Fertigarzneimitteln gehandelt, also um ein "Gebrauchsfertigmachen" ähnlich der Zubereitung von Antibiotikatrockensäften.

Und das Arzneimittelgesetz sieht das Inverkehrbringen von in Deutschland nicht zugelassenen Fertigarzneimitteln nur in Ausnahmefällen vor. Mit der Aussage, importierte, nicht zugelassene Fertigarzneimittel seien nicht abgabe- und damit auch nicht abrechnungsfähig, wurden bei den angeklagten Apothekern viele Zytostatikazubereitungen mit einer Nullretaxation belegt.

Mand hält die Argumentation für fadenscheinig. "Bis zum Jahr 2006 wurde nicht in Zweifel gezogen, das es sich bei Zytostatikazubereitungen um Rezepturen handelt. Selbst die Verwendung von Importarzneimitteln wurde in mir vorliegenden Verträgen zwischen einzelnen gesetzlichen Krankenkassen und zytostatikaherstellenden Apotheken eine Zeit lang gebilligt, weil die Apotheker einen Teil der Einkaufsvorteile als Rabatte weitergereicht haben."

Doch der Ärger über die lukrative Abrechnungspraxis einiger Apotheken sei offenbar zu groß geworden, mutmaßt der Jurist.

Unbillige Gewinnmöglichkeit ist heute vom Tisch

In der Tat hatte die Zytostatikaherstellung große Gewinnmöglichkeiten eröffnet, da Apotheken neben der Herstellungshonorierung und den Aufschlägen auf die Listenpreise der Grundsubstanzen zunehmend noch günstig im EU-Ausland eingekauft hatten. Gleichzeitig wurde die Handhabung der zytostatischen Ausgangsprodukte einfacher.

Für Mand steht außer Frage, dass es sinnvoll war, dass mit der 15. AMG-Novelle 2009 und den neuen Vergütungsregeln unbillige Gewinnmöglichkeiten bei der Zytostatikaherstellung beseitigt wurden. Die Wirtschaftlichkeitsprobleme, die mit der Einordnung von Zytostatikazubereitungen als Rezepturen verbunden waren, sind damit heute vom Tisch. Arzneimittelrechtlich bleibt aber die Einordnung relevant.

"Wenn Zytostatikazubereitungen Rezepturen sind, müssen Apotheker von Gesetz wegen strenge Anforderungen einhalten. Es besteht eine strikte behördliche Überwachung und der Apotheker haftet als Hersteller für alle Konsequenzen persönlich

Wem hätten die zusätzlichen Gewinnmargen denn tatsächlich zugestanden? Hätte der Hersteller verlangen können, dass er die Arzneimittel nur zu dem deutschen Preis verkauft, oder durften die Apotheker einen Teil der Gewinnmargen einfahren durch den günstigen Import aus dem Ausland? Die Krankenkassen hätten zumindest von der vermeintlich allein rechtmäßigen Verwendung in Deutschland zugelassener Fertigarzneimittel nicht profitiert, betont der Jurist.

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