Ärztin arbeitet mehr, als die Polizei erlaubt

27 Stunden am Tag - so lange arbeitet eine Hautärztin in Eisenberg nach Berechnungen der KV Thüringen. Jetzt läuft eine Plausibilitätsprüfung. Der Fall hat Hunderte von Bürgern mobilisiert.

Von Robert Büssow Veröffentlicht:
Hilfe, Plausiprüfung! Nun ist guter Rat teuer.

Hilfe, Plausiprüfung! Nun ist guter Rat teuer.

© El Gaucho / fotolia.com

ERFURT. Die Hautärztin Sophia Oelzner in Eisenberg arbeitet 27 Stunden am Tag. Sie öffnet frühmorgens ihre Praxis und schließt erst, wenn der letzte Patient gegangen ist. Das sind nach Berechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringens (KVT) aber so viele, dass ein Tag nicht für die Behandlung ausreichen würde.

Ihr Fall beschäftigt die KV seit Jahren, es läuft ein Plausibilitätsverfahren. Regressforderungen von mehreren Zehntausend Euro stehen im Raum.

Die "Frau Doktor Fleißig" war sogar bereits ein Fall für den MDR-Boulevardermittler Escher. Nun hat sich auch der Thüringer Landtag eingeschaltet.

Hunderte Ostthüringer haben sich an den Petitionsausschuss gewendet. Sie bezweifeln die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens der Kassenärztlichen Vereinigung.

Rund 2500 Abrechnungsscheine - also etwa 1000 Scheine mehr als eine vergleichbare Einzelpraxis - reicht die Ärztin pro Quartal zur Abrechnung ein.

Aus Sicht der Petenten sind die Prüfungen unnötig. Die Eisenberger Dermatologin zeichne eben eine "über das normale Maß hinaus hohe Einsatzbereitschaft und qualitative Arbeit" aus. "Verhindern Abrechnungsmodalitäten ärztlichen Fleiß?", fragte sich das Bürgergremium deshalb.

"Widersinn der Gesundheitsbürokratie"

Auch SPD-Gesundheitspolitiker Thomas Hartung reagierte fassungslos: "Man kann doch einen Arzt nicht bestrafen, weil er für die Patienten da ist." Gerade, wo alle Welt über drohenden Ärztemangel klage, zumal in einem ländlichen Raum wie Eisenberg.

Dieser "Widersinn der Gesundheitsbürokratie" müsse beseitigt werden, fordert der ausgebildete Chirurg Hartung. Der Petitionsausschuss des Landtages sieht jedoch keine rechtliche Handhabe gegen Wirtschaftlichkeitsprüfungen in Praxen. Dazu sei die KV gesetzlich verpflichtet.

Deshalb habe man leider keine Möglichkeit gesehen, den aufgebrachten Bürgern zu helfen, heißt es in einer Mitteilung. Allerdings kritisiert der Landtag die Grundlage der Prüfung und verwies die Petition deshalb an den Bundestag.

Der Ausschuss fordert, die Zeitprofile des EBM, die die Grundlage für die Plausiprüfungen bilden, zu überarbeiten. "Diese sind Durchschnittszeiten, die der einzelne Vertragsarzt je nach Erfahrung, Anzahl der Patienten und anderen Faktoren unterschreiten oder auch überschreiten kann."

Da es sich um eine bundesweite Regelung handelt, ist nun Berlin gefragt, ob die Thüringer Dermatologin mehr arbeiten darf, als d Polizei und EBM erlauben.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Verständlicher Ärzte-Frust

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Kommentare
Dr. Gunthram Heidbreder 22.03.201219:46 Uhr

Fakten statt Emotionen

Als Dermatologe, langjähriger Vorsitzender eines Landesverbandes des Berufsverbandes und ehemaliges Mitglied eines Plausibilitätsausschusses kann ich Ihnen versichern, daß eine Arbeitszeit nach EBM-Zeitvorgaben von mehr als 16 Stunden hochgradig suspekt, über 20 Stunden nicht möglich ist. Man kann sich über die Zeitvorgaben für einzelne Leistungen trefflich streiten, in der Gesamtheit jedoch sind sie durchaus valide. Wenn man bedenkt, daß Quartalsziffern nicht ins Tagesprofil eingehen, die Leistungserbringung aber schließlich Zeit in Anspruch nimmt, Organisation, Bürokratie, Privatpatienten zusätzlich zu bewältigen sind, dann ist eine Tagesarbeitszeit von 27 Stunden nur durch Fehlabrechnung zu erklären. Der Tag hat bekanntlich nur 24 Stunden, und irgendwann sollte man ja auch mal essen, schlafen und auf die Toilette gehen. Wer 60% mehr Patienten hat, kann eben nicht in allen Leistungen den Fachgruppenschnitt erreichen. Wer im Bewußtsein, für seine Patienten optiomalen Einsatz zu bringen, am Quartalsende die Abrechnung entsprechend dem Fachgruppenschnitt nach oben "korrigiert", ist ein Betrüger! Dies als allgemeine Aussage, die ich auf den konkreten Fall nicht ohne weiteres angewandt wissen möchte, da mir zu wenig Informationen voliegen.
Auf jeden Fall sollte eine KV auffällige Vertragsärzte überprüfen und unverzüglich zu einer Beurteilung kommen. Jahrelange Verfahren torpedieren den Zweck des Bemühens und lassen die betroffenen Kolleg(inn)en immer tiefer im Sumpf versinken. Sie fühlen sich häufig sogar bestätigt, weil die KV ja nichts Fühlbares unternommen hat. Eine KV, die hinreichend Verdächtige gewähren läßt, begeht Untreue gegenüber den korrekt Abrechnenden und verletzt ihre Fürsorgepflicht gegenüber den "schwarzen Schafen".

Dr. Zlatko Prister 22.03.201218:13 Uhr

Dr Bensch hat ein Problem

Sehr geehrter Herr Kollege Bensch,
was ist Ihr Problem?
Wo drückt es bei Ihnen?
Sie wollten etwas sagen, aber Ihr Beitrag enthält nur bruchstückhafte Gedanken.
Ich arbeite eben effizient.
Ich zeige Ihnen gerne wie man es macht.

Mit kollegialem Gruß
www.prister.de
ohne Papier
ohne Termin
ohne Wartezeit

Dr. Wolfgang Bensch 22.03.201217:01 Uhr

Wie am Fließband ...

Der Kollege Prister weiß, wie das geht und war dafür BILD schon einmal eine Schlagzeile wert:
"Dr. Zlatko Prister Dieser Arzt impft wie am Fließband " - Allgemeinmediziner Dr. Zlatko Prister hat in den vergangenen sechs Tagen 400 Frankfurter mit dem Schweinegrippe-Impfstoff versorgt. - Wahrscheinlich keine "Hängeregistratur" dafür nehme ich mal an. Hoffentlich nur papier- und nicht hirnlos ... ;-))

Maximilian Micka 22.03.201212:27 Uhr

Planwirtschaft in der Medizin - und doch nicht planbar....

Bei dem o. g. Beispiel handelt es sich um den Beweis, wie sehr unser Gesundheitssystem eigentlich in der Planwirtschaft versunken ist. Wie der Kollege Prister bereits ausgeführt hat:
Wer viel arbeitet, quasi Tag und Nacht für seine Patienten da ist, der fällt auf, der wird überprüft und seine Arbeitsmoral unter die Lupe genommen. Denn wer wirklich so blöd ist, heutzutage viel arbeiten zu wollen, um Praxis, Angestellte und sich selber bezahlen zu können, kann nur verdächtig sein. Er muß betrügen und dafür sind wir Ärzte ja berühmt, sind es doch letztlich wir, die sich auf Kosten des Kranken gesund stoßen und das Sozialwesen belasten. Das weiß doch jeder.
Hilfreich den ständigen Betrug medienwirksam aufzubereiten und Öl in das Feuer der (wahrlich unnötigen) Neiddiskussion nachzugießen sind dabei Fälle wie oben genannter sowie völlig idiotische Vorgaben, welche Tätigkeit auch noch in welcher Zeit durchzuführen seien. Stelle man sich doch mal das Gesicht des Automechanikers vor, der Sommerreifen wechseln soll und vom Kunden gesagt bekommt, "Das dauert aber jetzt mindestens 20 Minuten..." und dann 10 Minuten Pause machen soll.
Dies alles vor dem Hintergrund betrachtet, junge Ärzte in die Niederlassung auf dem Land zu motivieren, erscheint mir als Groteske bei der man den Kopf gar nicht so schütteln kann, wie man müßte.

Dr. Diethard Friedrich 22.03.201210:52 Uhr

Fließbandmedizin- Fehler vorprogrammiert

In kaum einem anderen Land als in Deutschland werden von Ärzten aller Fachrichtungen so viele Patienten pro Zeiteinheit "durchgeschleust". Auch wenn die Diagnosestellung bei Dermatologen oft schneller geht als beispielsweise beim Internisten oder Gynäkologen, kann trotz bester Organisation irgendetwas nicht stimmen. Wo bleibt die Zeit für den persönlichen, intensiven Kontakt mit dem Patienten? Leider fallen die diagnostischen und therapeutischen Fehler nicht sofort auf. Kein Wunder, dass viele Menschen zu Heilpraktikern gehen, was wir Ärzte eigentlich nicht wollen.

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