Hausarzt reicht Beschwerde gegen BMG ein

Hausarzt Dr. Siegfried Spernau bleibt dabei: Der Prüfparagraf 106 a muss weg. Jetzt hat er eine Untätigkeitsbeschwerde gegen das Bundesgesundheitsministerium eingereicht.

Veröffentlicht:
"Würde das Prüfprofil von Tages- auf Quartalsprofile umgestellt, wäre bei dem vorgegebenen 8,5-Stunden Tag auch nichts gewonnen." Dr. Siegfried Spernau, Hausarzt in Neu-Isenburg

"Würde das Prüfprofil von Tages- auf Quartalsprofile umgestellt, wäre bei dem vorgegebenen 8,5-Stunden Tag auch nichts gewonnen." Dr. Siegfried Spernau, Hausarzt in Neu-Isenburg

© sth

Von Monika Peichl

NEU-ISENBURG. Schon Ende 2007 sah das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gesetzgeberischen Änderungsbedarf beim Paragrafen 106 a Sozialgesetzbuch V, weil die Leistungen mit dem EBM ab 2008 weitgehend pauschaliert wurden.

Damit erscheine der gesetzlich geregelte Vorrang der Plausibilitätsprüfung nach Tagesprofilen nicht mehr sinnvoll, heißt es in einem Schreiben, mit dem das Ministerium Anfang dieses Jahres auf eine Anfrage des Petitionsausschusses geantwortet hat. Die Anfrage ausgelöst hatte Spernau, Allgemeinarzt in Neu-Isenburg, durch seine Petition gegen den Prüfparagrafen (wir berichteten).

Die Tagesprofile liefen ins Leere und müssten entsprechend dem neuen EBM durch Quartalsprofile ersetzt werden, so das Ministerium.

Voraussetzung dieser Überprüfung seien jedoch auch Ergebnisse einer von der KBV eingeleiteten Umfrage zu den Wirkungen der nach geltendem Recht durchgeführten Plausibilitätsprüfungen.

BMG und KBV wollen beide nicht zuständig sein

Die Ergebnisse stünden dem Ministerium bisher nicht zur Verfügung.

Die KBV wundert sich ein wenig über die Angaben des Ministeriums. Auf Anfrage teilt sie mit, dass sie sich mit dem GKV-Spitzenverband darauf verständigt habe, die Prüfrichtlinien auf Basis der Evaluation des EBM 2008 anzupassen.

Aus diesem Grund habe die KBV auf eine weitere Umfrage bei den KVen zum Thema Plausibilitätsprüfung verzichtet. "Dies ist dem Bundesgesundheitsministerium bekannt gewesen." Die Evaluation werde in einigen Wochen fertiggestellt sein und dann im Arbeitsausschuss des Bewertungsausschusses besprochen.

Aus Spernaus Sicht trägt das Ministerium die Verantwortung dafür, dass der Prüfparagraf unverändert gilt, obwohl es doch selbst schon Ende 2007 festgestellt habe, dass er untauglich sei.

Deshalb hat er am 8. Januar bei der Bundeskanzlerin, dem Bundestagspräsidium, dem Gesundheitsausschuss des Bundestages, dem GKV-Spitzenverband sowie der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main eine Untätigkeitsbeschwerde gegen das BMG eingereicht.

Darauf geantwortet hat bisher niemand. Spernau ist sich auch nicht sicher, ob er die richtigen Adressaten für eine Untätigkeitsbeschwerde angesprochen hat. Jedenfalls empört es ihn, dass ein Gesetz von einem Bundesministerium als untauglich bewertet wird und dennoch nichts geschieht.

Derweil muss sich der Hausarzt mit einer weiteren Honorarrückforderung der KV Hessen herumschlagen. Nach den rund 111.000 Euro für 2005 bis 2007 soll er für diesen Zeitraum nun weitere etwa 60.000 Euro zurückzahlen.

Dazu kommt eine Forderung von 8000 Euro für zu viele Physiotherapie-Leistungen. Wie berichtet, will Spernau sich auf dem Rechtsweg gegen die Forderungen wehren, obwohl ihm die geringen Erfolgsaussichten klar sind.

Staatsanwalt riet, den Rest des Quartals zu schließen

Würde das Prüfverfahren für den EBM 2008 von Tages- auf Quartalsprofile umgestellt, wäre nach Spernaus Meinung auch nichts gewonnen. Denn mit den Zeitvorgaben pro GKV-Patient und pro Chroniker kämen alle Hausärzte mit mehr als 1200 Scheinen pro Quartal unweigerlich über die Minutengesamtzahl hinaus, die ihnen auf Basis eines 8,5-Stunden-Tages und einer Fünf-Tage-Woche zugestanden werde, sagt er.

Ende 2010 habe er einen Staatsanwalt in Frankfurt am Main angerufen und ihm mitgeteilt, dass er sein Quartalsminutendeputat überschritten habe und damit wohl straffällig geworden sei. Der Staatsanwalt habe erwidert, dann müsse er eben seine Praxis für den Rest des Quartals schließen. Das kommt für Spernau, der "seit 30 Jahren ohne Beanstandungen" als Hausarzt für seine Patienten da ist, natürlich nicht in Frage.

Seinen Kollegen mit Praxen ab 1200 Scheinen rät er erneut, sie sollten am besten die Chroniker-Ziffer ganz weglassen. Stattdessen könnten sie mehr Patienten behandeln. Dann hätten sie zwar Abstaffelungen beim Honorar zu erwarten, würden aber nicht auffällig in der Plausiprüfung. Würde die Chroniker-Ziffer nicht mehr abgerechnet, so träfe das die Kassen, die entsprechend weniger aus dem Gesundheitsfonds erhielten.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Leichtere Umsetzung

DMP Depression wird aktualisiert

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums v.l.n.r.: Professor Karl Broich (BfArM), Dr. Jürgen Malzahn (AOK-Bundesverband), Dr. Christine Mundlos (ACHSE e.V.), Hauke Gerlof (Ärzte Zeitung), Dr. Johanna Callhoff (DRFZ), Professor Christoph Schöbel (Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen), Privatdozent Dr. Christoph Kowalski (Deutsche Krebsgesellschaft), Dr. Peter Kaskel (Idorsia)

© Thomas Kierok

ICD-11: Die Zeit ist reif für die Implementierung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Idorsia Pharmaceuticals Germany GmbH, München
Abb. 1: Bei erfolgreich therapierter Sialorrhö ist Teilhabe wieder leichter möglich

© Olesia Bilkei / stock.adobe.com [Symbolbild]

Glycopyrroniumbromid bei schwerer Sialorrhö

Wirtschaftliche Verordnung durch bundesweite Praxisbesonderheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Proveca GmbH, Düsseldorf
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Update der Studie EPIsoDE

Psilocybin hält therapieresistente Depressionen ein Jahr lang in Schach

Lesetipps
Warnschild Grippewelle

© nmann77 / stock.adobe.com

ARE in Grafiken

RKI: Grippewelle deutet sich an

Fünf Menschen im Wartezimmer.

© Tyler Olson / stock.adobe.com

Einteilung in fünf Gruppen

Diabetes: Risiken für Komorbiditäten vom Subtyp abhängig

Im Krankenhaus wird der Patient unter Aufsicht eines Radiologen einer CT-Untersuchung unterzogen.

© Valerii Apetroaiei / stock.adobe.com

Vereinfachter Diagnose-Algorithmus

Lungenembolie mit weniger Bildgebung sicher ausschließen