Karte des Monats
Arztzentren selten ein Modell fürs Land
An 11.800 Standorten in Deutschland sind drei oder mehr Ärzte unter einer Adresse gemeldet. Vor allem in den Städten sind solche Kooperationen zu finden – und mehr im Südwesten der Republik als im Nordosten.
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Die Interaktive Karte zu wechselnden Themen für ganz Deutschland, heruntergebrochen auf KV- Ebene und auf alle Landkreise ist eine Initiative der „Ärzte Zeitung“ und Rebmann Research.
© Rebmann Resaerch, Atlas Medicus
Neu-Isenburg. Als vor gut zwölf Jahren das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) in Kraft trat, war wohl niemandem klar, welche Vielfalt von Kooperationen durch die neuen gesetzlichen Möglichkeiten entstehen würden. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) hatte es bereits vorher gegeben, das VÄndG sollte niedergelassenen Ärzten bessere Chancen geben, mit den neuen Zentren im Wettbewerb mitzuhalten. In der Folge entstanden Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) mit immer mehr angestellten Ärzten, auch überörtliche BAG und Teilgemeinschaftspraxen; es gab und gibt ärztliche Versorgungszentren, überörtliche Gemeinschaften, ärztliche Genossenschaften, kommunal geführte Zentren. Auch Ärztehäuser mit mehreren selbstständig geführten Praxen unter einem Dach sind eine beliebte, sehr lockere Kooperationsform.
Die Karte des Monats November, gemeinsam bereitgestellt im Internet von „Ärzte Zeitung“ und dem Datendienstleister Rebmann Research macht auf einen Blick deutlich, wie weit verbreitet ärztliche Kooperationen aller Art längst sind.
Rote Inseln auf grünem Land
Tatsächlich gibt es bereits rund 11.800 Adressen in Deutschland mit drei oder mehr Ärzten und Zahnärzten unter einem Dach, wie die Karte zeigt. Die Informationen dafür sind aus Daten des ATLAS MEDICUS® von Rebmann Research abgeleitet. Die Farbstufen auf der Karte stellen Abweichungen vom Durchschnittswert der jeweiligen Messgröße dar – auf der Deutschlandkarte also vom Durchschnitt in Deutschland, in den regionalen Karten vom Durchschnitt in der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Rot eingefärbte Regionen sind dabei von einer hohen und grün eingefärbte von einer niedrigen Arztzentren-Dichte gekennzeichnet.
Auffällig ist, dass die Adressen mit drei oder mehr gemeldeten Ärzten auf Bundesebene besonders in den Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg verbreitet sind. Allein in Berlin gibt es 844 Arztzentren, auf 4281 Einwohner kommt ein solches Zentrum, im ländlichen Thüringen sind es dagegen fast 14.500 Einwohner je Arztzentrum.
Im ebenfalls ländlich geprägten Rheinland-Pfalz fallen die roten Inseln, umschlossen von grünen Gebieten besonders auf: Im Landesschnitt kommen rund 8300 Einwohner auf ein Arztzentrum, im Kreis südliche Weinstraße gibt kaum solche Kooperationen, hier kommen nahezu 28 000 Einwohner auf ein Zentrum. In den kreisfreien Städten wie Ludwigshafen, Trier, Zweibrücken, Koblenz oder Mainz sind es dagegen nur zwischen 3300 und 6000 Einwohner je Zentrum.
Starkes Stadt-Land-Gefälle
Rheinland-Pfalz ist kein Einzelfall in der Republik. In Bayern ist das Stadt-Land-Gefälle ebenso stark ausgeprägt: In manchen Städten in Bayern sind sogar unter 3000 Einwohner je Arztzentrum zu verzeichnen, in Hof dagegen fast 32.000 Einwohner je Zentrum. Ähnlich sieht es auch in Schleswig-Holstein oder Brandenburg aus.
Für ein Flächenland ist Baden-Württemberg ganz im Südwesten der Republik insgesamt relativ gut bestückt mit Arztzentren. Insgesamt verzeichnet die Karte nahezu 1700 Zentren allein im Ländle.
Wer nun die aktuelle Karte des Monats November mit der Dichte der Arztzentren vergleicht mit früheren Karten, zum Beispiel zu MVZ insgesamt oder auch der zu Hausarzt-MVZ, dem fällt sofort auf, wie unterschiedlich die Kooperationsformen in den Regionen verteilt sind – die eine Karte wirkt fast wie ein Negativ der anderen: In Baden-Württemberg ist die Dichte der Arztzentren hoch, aber die der Medizinischen Versorgungszentren niedrig.
In Thüringen dagegen ist die Dichte der MVZ am höchsten in Deutschland, die der Arztzentren dagegen ist am niedrigsten.
Überschneidungen Arztzentren und MVZ
Dabei gibt es zwischen Arztzentren und MVZ durchaus Überschneidungen. Größere MVZ mit drei oder mehr Ärzten werden ebenfalls bei den Arztzentren mitgezählt. Nur kleine MVZ mit zwei Ärzten fallen in der aktuellen Karte des Monats unter den Tisch. Sie sind offenbar in Thüringen besonders stark vertreten, während in Baden-Württemberg eher Ärztehäuser oder größere BAG unter den Kooperationen den Ton angeben.
„Bei Ärztehäusern kann man tatsächlich nicht immer von einer engeren Kooperation ausgehen“, gibt Dr. Bernd Rebmann, Inhaber von Rebmann Research zu bedenken. Teilweise befänden sich im ersten Stock solcher Häuser eine HNO-Praxis, darüber ein Augenarzt und ein Stock höher sei ein Hausarzt niedergelassen, „alle natürlich mit eigener Rezeption und unabhängiger Verwaltung“, so Rebmann. In derartigen Konstellationen liege eventuell dann auch noch einiges an Effizienzreserven einer engeren Kooperation, „quasi als Keimzelle innovativer Strukturen“.
Eine Schlussfolgerung aus den unterschiedlichen Karten des Monats zu Arztzentren und zu MVZ könnte daher sein, dass Ärzte tatsächlich überall in Deutschland zunehmend in Kooperationsformen gehen – in den Städten bislang mehr als auf dem Land. Dass es dabei aber auch erhebliche regionale Unterschiede gibt, welche Formen bevorzugt werden.
Passgenaue Förderung gesucht
Auch bei Fördermaßnahmen sollten sich Vertragspartner vor Ort genau überlegen, welche am besten geeignet sind, um die nächste Ärztegeneration für die Standorte zu interessieren. Und die Gesundheitspolitik im Bund sollte vorsichtig sein, überregional gültige Blaupausen zugunsten mancher Versorgungsformen vorzuschreiben.
Und es ist auch durchaus noch nicht ausgemacht, ob nicht in Zukunft auch Arztzentren auf dem Land stärkere Verbreitung finden könnten, seien sie gefördert durch Kommunen oder gegründet von niedergelassenen Ärzten, denen in der Umgebung frei werdende Arztsitze angeboten werden. Junge Ärzte scheuen sich bekanntlich, Einzelpraxen zu übernehmen – sie gehen eher in größere Einheiten, um im Team arbeiten zu können und auch um zeitlich flexibler zu sein.
Größere Praxen, BAG oder MVZ, eventuell mit Zweigpraxen in der Umgebung, könnten insofern in Zukunft auch für eine zunehmende Dichte von größeren Kooperationen auf dem Land sorgen. Hier sind Ärzte mit Unternehmergeist gefragt, die solche Einheiten gründen und dann später ausbauen.