Fentanyl-Pflaster

BGH revidiert Urteil gegen Substitutionsarzt

Der Bundesgerichtshof entlastet Substitutionsärzte und betont die Eigenverantwortung drogenabhängiger Patienten. Nun ist das Landgericht nochmals am Zuge.

Veröffentlicht:
Fentanylpflaster: Missbrauch durch den Patienten kann nicht dem Arzt angekreidet werden.

Fentanylpflaster: Missbrauch durch den Patienten kann nicht dem Arzt angekreidet werden.

© Klaus Rose

KARLSRUHE. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat Substitutionsärzte in ihrer Verantwortung entlastet und die Eigenverantwortung auch drogenabhängiger Patienten betont.

Nach einem aktuell veröffentlichten Beschluss macht sich ein Arzt auch durch eine kriminelle Verordnung von Ersatzdrogen oder Schmerzmittel nur dann wegen Tötung oder Körperverletzung strafbar, wenn der Patient die Risiken eines Missbrauchs nicht kennt.

Damit hob der BGH die Haftstrafe für einen Allgemeinarzt im Raum Augsburg auf. Zwei Patienten, die er zuvor bereits wegen Heroinabhängigkeit behandelt hatte, waren wegen angeblicher Hüft- beziehungsweise Lendenwirbel-Schmerzen in seine Sprechstunde gekommen.

Ohne nähere Untersuchung verschrieb ihnen der Arzt starke Fentanyl-Pflaster. Dem Arzt war bekannt, dass Fetanyl atemdepressiv wirkt, weshalb eine Überdosis lebensgefährlich ist.

Ebenso wusste er, dass Drogenabhängige solche Pflaster häufig auskochen, um sich die Wirkstofflösung zu spritzen. Die beiden Patienten hatten dies getan und starben. Einem dritten Patienten hatte er gegen Geld Privatrezepte für die Ersatzdroge Methadon ausgestellt - insgesamt 20.010 Euro für 667 Rezepte.

Das Landgericht Augsburg verurteilte den Arzt wegen zweifacher Körperverletzung mit Todesfolge und wegen unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln zu acht Jahren Haft und anschließend vier Jahren Berufsverbot.

BGH: Landgericht ging einseitig vor

Der BGH hob das Urteil nun auf. Das Landgericht sei einseitig von dem Wissen des Arztes ausgegangen, ohne aber auch das Wissen der im Umgang mit Drogen erfahrenen Patienten zu berücksichtigen. Die Beteiligung an einer "eigenverantwortlichen Selbstgefährdung" sei aber nicht strafbar.

Auch wenn ein Arzt den Missbrauch der von ihm verordneten Medikamente wissend in Kauf nehme, mache er sich daher "nicht wegen Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten strafbar, wenn sich das mit der Gefährdung vom Opfer bewusst eingegangene Risiko realisiert", heißt es in dem Karlsruher Beschluss.

Anders sei dies nur, wenn der Patient die Risiken nicht kennt oder wenn er wegen seiner Krankheit nicht eigenverantwortlich handeln kann. Das sei aber auch bei Drogenabhängigen nicht automatisch anzunehmen, sondern jeweils einzeln zu prüfen.

Dies soll das Landgericht nun nachholen. Dabei soll es berücksichtigen, dass es "auch bei medizinisch grob fehlerhaftem Verhalten des Arztes häufig fernliegt", dass der Arzt sich nicht habe am Wohl des Patienten orientieren wollen.

"Selbst erhebliche Sorgfaltspflichtverstöße schließen eine Verurteilung wegen nur fahrlässiger Tat nicht von vornherein aus", heißt es in dem jetzt schriftlich veröffentlichten Karlsruher Beschluss. (mwo)

Urteil des Bundesgerichtshofes, Az.: 1 StR 389/13

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Eckwerte für Bundeshaushalt 2025

Regierung will die GKV nur mit Darlehen stützen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Keine Hürden mehr: Websites sollen künftig so problemlos wie möglich zu erfassen und zu bedienen sein.

© VZ_Art / Stock.adobe.com

Neues Teilhabegesetz geht an den Start

So wird Ihre Praxis-Homepage barrierefrei

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung