Kommentar – Digitale Medizin

Bloß keine Zeit mehr verlieren!

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

Deutschland muss in die Puschen kommen, was die digitale Medizin angeht. Und deshalb war es gut, dass die Internisten bei ihrem jetzt zu Ende gegangenen Jahreskongress digitale Medizin zum Leitthema gewählt hatten. "Digitale Medizin passiert, ob wir wollen oder nicht", sagte DGIMVorsitzender Professor Claus Vogelmeier der "Ärzte Zeitung". Und damit hat er recht!

Selbst das Mediziner-Gehirn ist nicht gemacht für Anforderungen, die die Präzisionsmedizin von morgen stellt. 950 Krankheitsbilder listet der Gegenstandskatalog auf, mit dem sich Medizinstudenten quälen müssen. 8000 seltene Krankheiten finden sich im Orphanet. Nicht nur onkologische Krankheiten differenzieren sich inzwischen in zig Subkategorien, auch nichtmaligne Krankheiten werden anhand genomischer, epigenomischer, transkriptomischer und weiterer "Omics" neu definiert.

Die "typische Trias" von Syndrom XY gibt es nicht mehr. Heute führen dutzende, bald vielleicht hunderte Detailbefunde zur Diagnose. Typ-1- und Typ-2-Diabetes? "Grobe Vereinfachung", war beim Internistenkongress zu hören. Sechs neue Diabetes-Cluster lassen sich derzeit unterscheiden – die einen profitieren von einer frühen Insulintherapie, die anderen eher von GLP-1-Analoga.

Und ja: Es geht um Effizienz und um Sicherheit der Versorgung von Patienten. Beides kann mit digitalen und telemedizinischen Instrumenten deutlich verbessert werden, demografische Situation und Ärztemangel hin oder her. Dass das Fernbehandlungsverbot gefallen ist, war überfällig. Video-Sprechstunden unterbinden nicht zwangsläufig den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt, sondern können ihn intensivieren, und zwar für alle Seiten zeit-, nerven- und kostensparend.

Wie oft benötigen primärversorgende Haus-, Kinder- oder Frauenärzte eine Expertenmeinung? Digitale Konsile erfordern weder Telefonlisten in der Schreibtischschublade noch Stammtischbekanntschaften! Es ist egal, wenn der Primärarzt im Bayerischen Wald arbeitet und der passende Experte, sagen wir, an der Uni Rostock.

Von 4000 pädiatrischen Praxen nehmen bereits 1000 an PädExpert® teil, im nächsten Jahr sollen es schon doppelt so viele sein. Dazu braucht es keine extra Software, keine Schulungen. Internetanschluss genügt.

Vor allem aber: Die Bürger wollen digitale Medizin! 45 Prozent der Patienten würden eine Videosprechstunde bei ihrem Haus- oder Facharzt in Anspruch nehmen, hat die Bertelsmann Stiftung herausgefunden. Weltweit nutzen 1,7 Milliarden Menschen Gesundheits-Apps.

Natürlich muss die Spreu vom Weizen getrennt werden. Vielleicht aber lassen wir Deutschen uns einfach mal dazu herab zu schauen, wie digitale Medizin in anderen Ländern läuft– seit zehn Jahren und länger.

Lesen Sie dazu auch: Internistenkongress: Was die Telemedizin alles kann

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